Senioren sind jetzt handysüchtig wie die Jungen
Es gibt kaum ältere Menschen mehr, die kein Handy nutzen. Pro Senectute warnt vor Gefahren, die nicht nur jüngere Generationen betreffen, sondern auch Senioren.
Das Wichtigste in Kürze
- Schon 80 Prozent aller Senioren nutzen ein Smartphone.
- Social-Media- und Handy-Sucht sind auch im gehobenen Alter ein Problem.
Eines Abends besucht Nau.ch-Leser Ian D.* im Theatersaal National Bern das Konzert einer Coverband von Simon & Garfunkel. «Diese Band spricht vor allem ein älteres Publikum an», weiss er und freut sich: «Endlich ein Anlass, bei dem nicht in jeder Reihe Handys von filmenden Menschen aufleuchten!»
Doch schon nach wenigen Minuten folgt die Ernüchterung: «Der Saal war zwar tatsächlich voller Senioren. Aber: Sie alle wollten den Anlass auf dem Handy festhalten.» Jetzt zückt auch Ian das Smartphone und schiesst ein Foto.
Das war früher anders, findet Ian und fragt sich: «Sind Senioren jetzt genauso handysüchtig wie die Gen Z?»
Nau.ch hat nachgefragt.
Eine Sprecherin der Altersheim-Gruppe Senevita bestätigt: «Um mit Verwandten und Bekannten in Kontakt zu bleiben, nutzen auch unsere Bewohnerinnen und Bewohner heute häufiger Handys als früher.»
Das dürfte wichtig sein, denn: In der Schweiz leiden 37 Prozent der Senioren unter Einsamkeit.
80 Prozent aller Senioren nutzen ein Smartphone
Auch Peter Burri, Mediensprecher von Pro Senecute, bestätigt: «Der Trend zur Smartphone-Nutzung ist auch bei Menschen über 65 Jahren stark ausgeprägt.»
Doch nicht nur das. Burri sagt: «Wir gehen davon aus, dass die Nutzungsrate inzwischen bei über 80 Prozent liegt.»
Ein zunehmender Trend, denn: Erst 2021 kam eine deutsche Studie zum Schluss, dass mehr als die Hälfte der Senioren kein Smartphone nutzt.
Das Nutzungsverhalten der Ü65-Jährigen nähere sich immer mehr jenem von jüngeren Generationen an.
Brisant: «Hinsichtlich der Dauer und Intensität der Nutzung gibt es teilweise kaum noch Unterschiede», sagt Burri. Die Seniorinnen und Senioren sind also schon fast so handysüchtig wie die Jungen.
Hauptgrund laut Burri: «Viele Dienstleistungen, Informationsbeschaffung und alltägliche Besorgungen werden heute fast ausschliesslich über das Smartphone oder online abgewickelt.» Der Offline-Zugang zu diesen werde zunehmend schwieriger.
Senioren droht Social-Media-Sucht
Besonders beliebt sind laut Pro Senectute: News-Apps, Whatsapp, Social-Media-Kanäle und sogar Handyspiele!
Auch Leserin Ramona K.* sagt zu Nau.ch: «Mein 75-jähriges Grosi postet mehr auf Instagram als ich. Sie hat schon seit Jahren einen Account.»
Dieser Trend hat auch seine Schattenseite, glaubt Burri: «Problematisch wird es dann, wenn aufgrund der Smartphone-Nutzung soziale Kontakte vernachlässigt werden. Dies betrifft sowohl Seniorinnen und Senioren als auch uns alle gleichermassen.»
Ähnlich wie bei jüngeren Menschen bestünde bei älteren eine gewisse Suchtgefahr. Burri warnt: «Das ständige Bedürfnis, erreichbar zu sein oder immer informiert zu bleiben: Das kann zunehmen und zu Stress führen – begleitet von der Angst, etwas zu verpassen.»
Bei Jungen ist das bekannt als FOMO (engl. für Fear Of Missing Out; Angst, etwas zu verpassen).
Schon 2022 eruierte das Bundesamt für Statistik mehrere negative Folgen, die das Mobiltelefon für ältere Menschen haben kann.
* Name geändert.