Sex-Therapeutin (33) zu bedingter Geldstrafe verurteilt
Zoe T.* versuchte mehrmals, sich umzubringen. Ihre Therapeutin hatte Sex mit ihr. Jetzt wurde die Psychologin verurteilt.
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Das Wichtigste in Kürze
- Therapeutin Susanne S.* (33) hatte regelmässig Sex mit ihrer Patientin.
- Zoe T.* versuchte mehrmals, sich umzubringen.
- Nun wurde die Psychologin zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt.
«Ich getraute mich nicht, eine Anzeige zu machen», sagt Zoe T.* mit fester Stimme. «Ich sah mich nicht als Opfer. Sondern als Täterin.» Die Kauffrau aus dem Kanton Zürich hat viel durchgemacht.
Nach einer Kindheit voller Missbräuche prügelte ihr Ex-Verlobter sie vor ein paar Jahren regelmässig, bis Knochen brachen. Der Ex-Polizist kassierte zwei Jahre bedingt. «Er würgte mich, schloss mich im Keller ein und schlug mich regelmässig», sagt Zoe T.
Nach der Verhaftung ihres Ex-Verlobten wird sie wegen Selbstgefährdung zum ersten Mal in die Psychiatrische Universitätsklinik PUK in Zürich eingewiesen.
Traumatherapie
Sie leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Als sie bei einem Suizidversuch vom Dach eines Gebäudes mitten in Zürich Gegenstände auf die Strasse wirft, wird Zoe T. zu einer ambulanten Massnahme verurteilt. Sie kommt zurück in die PUK.
Dort soll sie jetzt eine Traumatherapie machen. Ihre Therapeutin, Susanne S.* (33) hat sie bereits vorher in der PUK kennengelernt.
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«Ich vertraute ihr», sagt Zoe T. Sie denkt sich nichts dabei, als Susanne S. bei den Therapiesitzungen zuerst ihre Hand streichelt und dann auch ihre Oberschenkel berührt. «So ging es monatelang. Ich dachte, das sei normal. Ich fand die Therapeutin nett», sagt Zoe T.
Sex während Therapiesitzungen
Die Psychologin geht immer weiter. «Sie sagte mir, sie befriedige sich selber im Büro, wenn ich gegangen sei. Sie sagte, sie wolle mich küssen.»
Bei einem Ausflug nach Zug im Mai 2018 passiert es schliesslich. Susanne S. und Zoe T. liegen auf einer Wiese auf dem Zugerberg. Sie streicheln sich gegenseitig. Susanne S. küsst ihre Patientin erstmals auf den Mund. In der Folge werden Zungenküsse ausgetauscht, heisst es im Strafbefehl gegen die Psychologin.
Ab dann haben Susanne S. und ihre Patientin regelmässig Sex. Zweimal in der Woche im Büro von Susanne S. in der PUK. Offiziell gelten die Termine als ambulante Therapiesitzungen. Bei stationären Aufenthalten holt die Psychologin die Patientin auf der Station ab.
Therapeutin warnt Opfer vor Knast
Die Therapeutin kommt auch zu Zoé T. nach Hause. Auch dort haben die beiden Frauen Sex. «Es ging rasend schnell», sagt Zoe T. «Ich war schon in der Spirale, bevor ich es realisierte.» Auch beim Grillieren und Schwimmen an der Limmat haben die Therapeutin und ihre Patientin Sex.
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Das Ganze zieht sich über Monate hin. Anstatt einer Traumatherapie hat Susanne S. regelmässig Sex mit ihrer Patientin. «Sie warnte mich vor den Konsequenzen, falls ich mit anderen über die Sex-Beziehung rede», sagt Zoe T. «Sie sagte, sie verliere dann ihren Job und auch ihre Eltern würden alles erfahren. Ausserdem würde auch ihre Vorgesetzte ihren Job verlieren und wir würden alle kaputtgehen.»
Die Therapeutin ist verheiratet. «Sie sagte mir auch, dass meine Therapie in Knast umgewandelt würde, wenn alles auffliege.»
Anzeige nach Suizidversuch
Zoe T. wischt sich Tränen aus den Augen. «Ich wusste nicht, wie ich aus dem Ganzen rauskomme.»
Es geht ihr immer schlechter. Sie kauft sich Bücher, die Sex zwischen Therapeuten und Patienten zum Thema haben. «Da merkte ich endlich, dass das nicht normal ist.» Sie getraut sich trotzdem nicht, ihre Therapeutin anzuzeigen.
Als Zoe T. einen neuen Suizidversuch unternimmt, kommt schliesslich alles raus. Der Sozialarbeiter der Vollzugs- und Bewährungshilfe zeigt die Psychologin an. «Ich hielt die Situation nicht mehr aus und erzählte ihm alles.»
Die Polizei rapportiert an die PUK. «Ich hatte das Umfeld, um aus diesem Teufelskreis auszubrechen», sagt Zoe T. «Eine Freundin ermutigte mich, alles zu erzählen.»
Verurteilung wegen «Ausnützung der Notlage»
Schliesslich kontaktiert Zoe T. auch die Opferhilfe. Monatelang hatte sie zuvor mit sich selbst gerungen. Scham und Angst vor Ausgestossenheit lähmten sie. Heute sagt Zoe T.: «Ich möchte anderen Betroffenen zeigen, dass es wichtig ist, sich zu getrauen und Hilfe in Anspruch zu nehmen.»
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Zoe T. erzählt es auch der Vorgesetzten von Susanne S. in der PUK. Die Psychologin kündigt dann von sich aus. «Sie behauptete, ich sei die treibende Kraft gewesen.» Entschuldigt hat sich die Therapeutin bei ihrer ehemaligen Patientin nie.
Susanne S. ist nun wegen «Ausnützung der Notlage» von der Staatsanwaltschaft verurteilt worden. Die Psychologin kassierte eine bedingte Geldstrafe von 15'000 Franken mit einer Probezeit von zwei Jahren. Zusätzlich muss sie eine Busse von 2000 Franken bezahlen.
Kein Berufsverbot
Weil Zoe T. auf ihre Therapeutin angewiesen gewesen sei, habe ein «klassisches Machtgefüge» bestanden, heisst es im Strafbefehl. Susanne S. habe das bestehende Abhängigkeitsverhältnis für sexuelle Zwecke ausgenützt.
Das Urteil hat bisher keine beruflichen Konsequenzen für Susanne S. Die vorbestrafte Psychologin ist weiterhin Assistentin an der Universität Zürich.
Die Staatsanwaltschaft informierte die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich über die Verurteilung der Psychologin. Nau.ch wollte vom Departement der früheren SVP-Nationalrätin Natalie Rickli wissen, ob es jetzt ein Berufsverbot für Susanne S. gibt.
Doch die Medienstelle wollte aus Datenschutzgründen und wegen des Amtsgeheimnisses keine Auskunft erteilen. Strafrechtlich sei der Fall zwar abgeschlossen, aufsichtsrechtlich hingegen noch am Laufen.
*Namen geändert