Sucht Schweiz fordert Behörden zum Handeln auf
Sucht Schweiz hat vor der grösser werdenden Vielfalt von potenziell suchterzeugenden Produkten gewarnt. Es drohen grosse Schäden, wenn nicht getan wird.
Das Wichtigste in Kürze
- Sucht Schweiz warnt vor der grossen Vielfalt an potenziell suchterzeugenden Produkten.
- Es müsse rasch gehandelt werden, ansonsten drohen grosse Schäden.
- Insbesondere der Konsum von Nikotin sei heute nicht mehr klar deklariert.
Verwirrend viele Marken und Geschmacksrichtungen von potenziell suchterzeugenden Produkten stünden heute zur Auswahl, schreibt Sucht Schweiz zu ihrem am Dienstag veröffentlichten Bericht «Schweizer Suchtpanorama 2020». Was welche Risiken berge, sei oft unscharf.
Exemplarisch zeige sich das beim rasch wachsenden Angebot der Nikotinprodukte. Stark beworbene Tabakerhitzer drängten auf den Markt, während gleichzeitig Mundtabak (Snus) salonfähig werde und eine bunte Palette an E-Zigaretten erhältlich sei.
Gefährliche Werbung für Tabakerhitzer
Zu Zeiten des «Marlboro-Mannes» sei klar gewesen, in welcher Form das Nikotin zu konsumieren sei. Darauf seien aromatisierte und dann Light-Zigaretten gefolgt. Und heute suggeriere die Werbung, dass es keinen Grund mehr gebe zu rauchen, wo es doch Tabakerhitzer gebe. Die Werbung der Tabakmultis komme neuerdings daher wie jene für einen Vorsorgeplan.
Nikotinprodukte wie E-Zigaretten mit weniger Risiken als die klassische Zigarette könnten beim Rauchausstieg nützlich sein, schreibt Sucht Schweiz. Suchtfachleute seien sich gleichzeitig aber einig: Dampfen dürfe für Jugendliche nicht das neue Rauchen werden. Minderjährige Nichtrauchende sollten gar nicht erst damit anfangen. Sie seien sehr anfällig für eine Nikotinabhängigkeit, was die Hirnentwicklung beeinträchtige. Die Raucherquote verharre nach wie vor bei gut einem Viertel der Bevölkerung.
Markteinführungen müssen geregelt werden
Der Staat müsse sich die Mittel geben, um neue Produkte besser zu bewerten und ihre Markteinführung zu regeln. «Die steigende Vielfalt der Produkte erfordert dringend eine Steuerung», wird Grégoire Vittoz, Direktor von Sucht Schweiz, in einer Mitteilung zitiert. Es brauche eine Instanz, die das Heft in die Hand nehme, auch mit Blick auf die Generationen von Morgen.
Generell hält Sucht Schweiz fest, dass die problematischen Konsummuster sich akzentuieren. Bei den über 65-Jährigen seien die Raten chronisch Trinkender bis 2017 gestiegen. Und beim Rauschtrinken sei in fast allen Altersklassen ein Anstieg zu beobachten, besonders aber bei den jungen Frauen, bei denen der Anteil von 12 Prozent im 2007 auf 24 Prozent im 2017 angestiegen sei.
Jugendschutz bei Alkohol ungenügend
Heute würden sich mehr Menschen mindestens einmal pro Monat betrinken als noch vor gut zehn Jahren. Allein 2016 seien beispielsweise rund 11'500 Menschen wegen einer Alkoholvergiftung stationär im Spital behandelt worden. Der Jugendschutz beziehungsweise die Abgaberegelungen würden nach wie vor nur ungenügend greifen, und die Politik bewege sich kaum, um den Gesundheitsschutz zu stärken.