Über 300 Urnerinnen und Urner wurden fürsorgerisch zwangsversorgt

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Uri,

Über 300 Personen wurden im Kanton Uri von 1905 bis 1970 Opfer von «fürsorgerischen Zwangsmassnahmen». Dieses dunkle Kapitel wird nun aufgearbeitet.

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Die Flagge des Kantons Uri. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Im Kanton Uri wurden von 1905 bis 1970 über 300 Personen Opfer von Zwangsmassnahmen.
  • Der Grund: Sie lebten nicht nach den geltenden Normen und Regeln.
  • Drei Forscherinnen haben diese administrativen Versorgungen nun aufgearbeitet.

Von 1905 bis 1970 wurden im Kanton Uri über 300 Personen Opfer einer «fürsorgerischen Zwangsmassnahme». Der Grund: Sie lebten nicht den geltenden Normen und Regeln entsprechend. Drei Forscherinnen haben diese administrativen Versorgungen nun aufgearbeitet.

In zweijähriger Arbeit erstellten sie eine 78-seitige Studie, finanziert wurde diese vom Kanton Uri und zwei Stiftungen. Die Forscherinnen recherchierten dazu im Staatsarchiv, studierten Gemeinderatsprotokolle und interviewten direkt Betroffenen, die zwangsweise in Anstalten eingewiesen worden waren.

Der Kanton Uri selber verfügte über keine Anstalt für Erwachsene. Die meisten Einweisungen erfolgten in die Arbeitserziehungsanstalt Kaltbach im Kanton Schwyz. Dort sollten die Insassen «durch strenge Arbeit und bessernde Zucht wieder an ein ehrbares und tätiges Leben» gewöhnt werden.

700 Zwangsmassnahmen dokumentiert

Die Forscherinnen fanden fast 700 solcher Zwangsmassnahmen, die von 1905 bis 1970 dokumentiert sind. Davon betroffen waren 340 Personen. Die betroffenen Personen wurden in der Regel für zwölf Monate eingewiesen. Männer waren im Kanton Uri dreimal häufiger von administrativen Versorgungen betroffen als Frauen.

Die Gemeinden und Armenpflegen warfen den Männern vor, «arbeitsscheu» (17,8 Prozent) oder alkoholabhängig (14,3 Prozent) zu sein. Bei den Frauen lauteten die Begründungen anders: «Unsittlichkeit» (13 Prozent), negative Persönlichkeitsmerkmale (11,3 Prozent), «Arbeitsscheue» (10 Prozent) und «Liederlichkeit» (9,1 Prozent) wurde den Betroffenen vorgehalten. Laut den Studienautorinnen zeigt sich, dass bei den Frauen auf das Sexualverhalten fokussiert wurde.

Anstaltseinweisungen gab es flächendeckend im gesamten Kanton. Die beiden kleinen Gemeinden Silenen und Attinghausen hatten überproportional hohe Einweisungszahlen.

«Dunkles Kapitel der Urner Geschichte» soll aufgearbeitet werden

Für «arme und verwahrloste Kinder» gab es bereits seit 1887 das Kinderheim in Altdorf. Ein streng geregelter Tagesablauf, religiöse Rituale, Isolation, Blossstellungen und Bestrafungen prägten den Alltag. Bis 1987 waren dort über 1000 Kinder aufgenommen worden.

Die «Kinderschutzmassnahme» einer Fremdplatzierung begründeten die Behörden in einem Fall aus den 1950er Jahren damit, dass die Mutter von elf Kindern Herrenbesuche empfange und sich abends im Wirtshaus aufhalte. Entscheide seien oft willkürlich und aus finanziellen Motiven gefällt worden.

Mit der Forschungsarbeit soll ein «dunkles Kapitel der Urner Geschichte» aufgearbeitet werden. Dies teilte der Historische Verein anlässlich der Präsentation vom Freitag in Altdorf mit.

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