WHO rät von Alternativen der Zigarette ab
Der Tabakerhitzer Iqos wird als geniale Entwicklung gepriesen. Aber die WHO ist skeptisch.
Das Wichtigste in Kürze
- Marlboro lobt seine E-Zigarette Iqos, mit der man Tabak erhitzt anstatt sie zu verbrennen.
- Die WHO zeigt sich alarmiert und rät von Zigarettenalternativen ab.
Ryan Sparrow steckt ein kleines Tabakstäbchen in sein Gerät, heizt per Knopfdruck kurz auf und zieht dann genüsslich am Filter. Mit deutlich weniger schlechtem Gewissen als früher, als er noch herkömmliche Zigaretten rauchte, versichert er. Für seinen Nikotinschub nutzt Sparrow den Tabakerhitzer Iqos von PMI, dem internationalen Arm des Marlboro-Herstellers Philip Morris. Sparrow arbeitet bei PMI am Neuenburgersee.
Die Firma preist das Tabakerhitzen als geniale Entwicklung: Sie legt Studien vor, die zeigen sollen, dass beim Tabakerhitzen statt -verbrennen fast alle krebserregenden Schadstoffe eliminiert werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist alarmiert.
Ältere Zigarettenalternativen, etwa E-Zigaretten, bei denen flüssiges Nikotin verdampft wird, gibt es schon seit Jahren. «Sie sind in etwa 30 Ländern verboten und in 60 Ländern reguliert», sagt Vinayak Prasad, bei der WHO für Tabak-Kontrolle zuständig. Dazu gehören Regeln, wo E-Zigaretten benutzt und an wen sie verkauft werden dürfen.
«Unsichtbarer Elefant im Raum»
Aber Tabak zu erhitzen statt zu verbrennen ist ziemlich neu und Länder ringen darum, wie damit umzugehen ist. «Der unsichtbare Elefant im Raum», sagte Prasad am Rande einer Tagung mit Vertretern der 181 Mitgliedsländer der Anti-Tabak-Konvention in Genf.
In der Schweiz etwa liegt die Steuer auf Päckchen mit Tabakstangen zum Erhitzen nur bei zwölf Prozent, bei herkömmlichen Zigaretten bei gut 50 Prozent. Der Grund: das neue Produkt wird wie Pfeifentabak versteuert. Der Preis ist pro Packung mit gleich vielen Tabakstäbchen wie Zigaretten aber in etwa gleich. Der Profit für die Tabakfirmen sei bis zu 50 Prozent höher als bei Zigaretten, sagt die WHO.
Sie zitiert Schätzungen, nach denen der Umsatz mit Produkten zum Tabakerhitzen explodiert: von 2,1 Milliarden Dollar 2016 auf 17,9 Milliarden Dollar 2021. Neben Philip Morris sind auch Anbieter wie Japan Tobacco International und British American Tobacco am Markt. Es gibt rund eine Milliarde Raucher weltweit, sieben Millionen Menschen sterben jedes Jahr durch das Rauchen, so die WHO. «Unsere Position ist klar: alle Tabak-Produkte sind schädlich», sagt Prasad. Philip Morris bestreitet das nicht. «Unser Produkt ist nicht ohne Risiko, und es enthält Nikotin, was süchtig macht», sagt Moira Gilchrist, bei PMI «zuständig für wissenschaftliche Kommunikation».
Aber PMI wende sich ausschliesslich an erwachsene Raucher. Für sie sei Iqos eine gesündere Alternative zum Rauchen und eine Aussteigehilfe. «Bei Tabakprodukten entstehen die meisten giftigen Komponenten durch Verbrennung», sagt Gilchrist. «Aber mit Iqos wird Tabak erhitzt, nicht verbrannt. Der Iqos-Dampf enthält verglichen mit herkömmlichem Zigarettenrauch viel weniger schädliche Chemikalien. Unser Produkt ist rauchfrei.»
Verschwelung statt Verbrennung
Rauchfrei, das lassen Forscher unter Leitung von Reto Auer von der Universität Bern in einer Studie nicht gelten. Iqos produziere sehr wohl Rauch, schreiben sie 2017 in der angesehenen US-Fachzeitschrift «Jama Internal Medicine».
«Es findet zwar keine vollständige Verbrennung, aber eine Verschwelung statt», erklärt Auer. «Wir haben in dem Rauch aus Iqos die gleichen Stoffe gefunden wie bei Zigaretten, wenn auch weniger.» Philip Morris stellte in einem Brief die Ergebnisse und die Expertise von Auer in Frage und verlangte, dass die Studie zurückgezogen wird – vergeblich.
In Grossbritannien empfiehlt die Stiftung Krebsforschung E-Zigaretten inzwischen als Hilfsmittel für Leute, die mit dem Rauchen aufhören wollen und die mit anderen Aussteigehilfen keinen Erfolg haben.
Bei Tabakheizern ist die Regierung aber skeptisch: «Studien legen nahe, dass Produkte mit erhitztem Tabak vielleicht deutlich weniger schädlich sind als Tabakzigaretten, aber schädlicher als E-Zigaretten», schreibt sie im Gesundheitsbericht 2018.