Luzian Franzini äussert sich zur AHV- und Steuervorlage

Luzian Franzini
Luzian Franzini

Bern,

Die neue AHV- und Steuervorlage bewegt die Schweiz. Am 19. Mai entscheidet das Volk. Ein Kommentar von Luzian Franzini.

Mann mit kurzen schwarzen Haaren in hellem Anzug
Luzian Franzini, Co-Präsident der Jungen Grünen Schweiz, Vizepräsident der Grünen Schweiz - zvg

Das Wichtigste in Kürze

  • Am 19. Mai findet die Abstimmung zur AHV-Finanzierung und Steuerreform statt.
  • Schweizer Politiker äussern sich in der Rubrik «Stimmen der Schweiz» dazu.

STAF-Steuerdeal aus linker Sicht: Ein doppelter Schuss ins eigene Bein.

Ich erinnere mich noch gut an den 12. Februar 2017: Euphorische Stimmung am Abstimmungsfest in Bern nach dem linken Referendumssieg gegen die USRIII. Als SP-Präsident Christian Levrat das Haus betritt, gibt es Konfettikanonen und Jubel. «Ein Linker Sieg! Der Widerstand gegen die rechtsbürgerliche Mehrheit kommt von der Strasse!» Mit einigen Jungen Grünen sinnierten wir in der bereits frühlingshaften Nachmittagssonne über das Ende des Schweizer Tiefsteuerwahnsinns. Denn eines konnten an diesem Sonntag nicht einmal Rechtsbürgerliche Bestreiten: Die Bevölkerung versteht es nicht, dass grosse Unternehmen trotz immensen Gewinnsummen immer weniger Steuern bezahlen sollen.

Zwei Jahre später sieht die Lage ganz anders aus: Der linke Abstimmungssieg ist im parlamentarischen Zirkus verpufft, bis auf einige wenige Verbesserungen sind wir wieder auf Feld 1. Mit dem AHV-Steuerdeal soll der Fiskus zwei Milliarden durch Steuergeschenke an Schweizer Unternehmen verlieren. Auch für internationale Firmen werden neue Steuerschlupflöcher geschaffen.

Internationale Auswirkungen: Die Schweiz bleibt der Abzocker des globalen Südens

Was vielen nicht bewusst ist: Seit Jahren ist die Schweiz nicht Trittbrettfahrerin im globalen Tiefsteuerzug, sondern dessen Lokomotive. Der AHV-Steuerdeal ersetzt die internationalen Sonderregeln für Holdings durch Neue. Gewisse dieser neuen Massnahmen werden in einigen Jahren bereits wieder international verpönt sein. Multinationale Konzerne können ihre Gewinne weiterhin aus südlichen Ländern in die Schweiz transferieren um hier von minimalsten Steuersätzen zu profitieren. Der IWF schätzt, dass Entwicklungsländern wegen solchen Gewinnverschiebungen jährlich 200 Milliarden Dollar an potentiellen Steuereinnahmen verlieren.

Nationale Auswirkungen: 2 Milliarden weniger für die Staatskassen.

Auch für die Schweizer Steuerzahler*innen hat die Steuervorlage schlimme Auswirkungen. So geht der Bund davon aus, dass die ordentlichen kantonalen Gewinnsteuersätze in den Kantonen massiv sinken werden. Der neu entfachte interkantonale Tiefsteuerwettbewerb wird insbesondere für jene Kantone ruinös, welche über wenige Statusgesellschaften verfügen. Sie haben praktisch keine Mehreinnahmen durch die aufgehobenen Privilegien, müssen aber - auf Druck der anderen Kantone - ebenfalls ihre Gewinnsteuersätze senken. Über die gesamte Schweiz hinweg entsteht so ein Steuerloch von mindestens 2.1 Milliarden Franken pro Jahr. Ob für angemessene Sozialleistungen und Chancengleichheit oder im Kampf gegen den Klimawandel: dieses Geld wird irgendwo fehlen!

Argumentation im Abstimmungskampf: Die SP verspielt wichtige Trümpfe

Aus linker Sicht ist die Ausgangslage zur STAF-Steuervorlage verheerend: Weil die SP den faulen Deal der neoliberalen Ratsmehrheit unterstützt, tritt die Linke nicht geschlossen auf. Noch problematischer ist die Verschiebung des Diskurses im Bereich der Altersvorsorge: Um die Vorlage bei der Bevölkerung durchzubringen, schürt die SP den neoliberalen Teufel einer sterbenden AHV an die Wand und wagt sich so argumentativ weit ins bürgerliche Lager hinein. So schreibt sie beispielsweise in ihrem Argumentarium «Ohne die zusätzliche Finanzierung ist die Sicherheit der Renten akut gefährdet bzw. nur mit Leistungskürzungen zu erreichen». Die Faktenlage ist jedoch eine andere. Laut Schätzung des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) werden die AHV-Reserven bis zum Jahr 2025 auf rund 33,8 Milliarden Franken «schrumpfen», 2030 kommt jedoch bereits die nächste Babyboomer-Generation ins erwerbsfähige Alter. Zudem ist eine anständige AHV-Rente verfassungsmässig garantiert, eine AHV-Stabilisierung kommt mit oder ohne STAF. Im SP-Argumentarium wird zudem mit der «hohen Wahrscheinlichkeit» eines höheres Rentenalter bei Ablehnung der Vorlage gedroht. Dabei ist wohl auch SP-Sozialpolitiker*innen klar, dass die Rechte ihre Pläne zur Erhöhung des Rentenalters unabhängig vom Ausgang der STAF-Abstimmung vorantreiben wird.

In ihrem Argumentarium spricht sie davon, dass ohne Senkung der Gewinnsteuern, Firmen wegzuziehen drohen. Dabei verdrängen die Sozialdemokrat*innen ihre eigenen Argumente im USR3 Abstimmungskampf: Nirgends auf der Welt treffen Steuerdumping und eine gut ausgebaute Infrastruktur, Lebensqualität und ausgebildete Arbeitskräfte so sehr aufeinander wie in der Schweiz. Die Unternehmensbesteuerung ist ein Faktor von vielen bezüglich. der Standortwahl von Unternehmen.

Wie weiter bei einem STAF-Nein ?

Der Abstimmungskampf rund um die aktuelle Vorlage droht für die Linke zu einem doppelten Schuss ins eigene Bein zu werden.

-Einerseits verpufft der linke Referendumserfolg bei der USR3 mit einigen kosmetischen Korrekturen. Grundprinzip bleibt das gleiche: Alte Steuerprivilegien werden durch neue ersetzt. Der globale Tiefsteuerwettbewerb wird in keiner Weise hinterfragt.

-Die AHV-Stabilisierung wird als linker Erfolg der Vorlage verkauft, obwohl sie bereits ein Kompromiss darstellt. Die Beiträge werden paritätisch von Arbeiter*innen und Arbeitgeber*innen bezahlt. Dies wirkt sich negativ auf die kommenden Verhandlungen im Bereich der Altersvorsorge aus.

Die Alternative zum AHV-Steuermurks liegt jedoch auf der Hand: Alte Steuerdumpingmodelle sollten nicht einfach durch neue ersetzt, sondern definitiv abgeschafft werden. Gefordert ist letztlich die Abschaffung jeglicher Steuerprivilegien, die Anreize für Gewinnverschiebungen aus Entwicklungs- und anderen Ländern schaffen. Falls Steuersenkungen zur Debatte stehen, braucht es eine wirkliche Gegenfinanzierung, wie die Kapitalgewinnsteuer, welche die damalige Finanzministerin Evelin Widmer-Schlumpf in der Debatte rund um die USRIII vorgeschlagen hatte. Bei der Steuerpolitik braucht es längerfristige Perspektiven und eine nachhaltige Steuerpolitik, welche unsere öffentlichen Dienstleistungen auch in Zukunft finanzierbar machen. Die Schweiz hat als globales Tiefsteuerland eine besondere Verantwortung, dafür zu sorgen, dass Unternehmen ihren anständigen Beitrag zum Gemeinwohl bezahlen.

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