Schneider: Vorschriften-Dschungel lässt Lust am Hofladen schwinden
«Statt Hürden abzubauen und Bäuerinnen zum Betrieb eines Hofladens zu motivieren, existiert ein Vorschriftenwald», schreibt Meret Schneider in ihrer Kolumne.
Das Wichtigste in Kürze
- Alt Nationalrätin Meret Schneider schreibt regelmässig Kolumnen auf Nau.ch.
- Heute schreibt Schneider über die Hofläden und die Förderung der Direktvermarktung.
- Einige Regelungen seien wie schlechte Scherze.
Süssmostproben ins Labor schicken? Nährwertdeklaration auf Hafermüesli vom Hof? Und warum darf in der Landwirtschaftszone zwar Getreide zu Mehl verarbeitet, damit aber kein Brot gebacken werden? Warum dürfen im Hofladen zwar Kartoffeln gewaschen, diese aber nicht zu Chips verarbeitet werden?
Wer sich durch den Vorschriften-Dschungel kämpft, braucht eine scharfe Machete – und manchmal ein filigranes juristisches Ziseliermesser.
Die Lust am Hofladen kann da gern einmal schwinden – und dies, obwohl die Förderung der Direktvermarktung eigentlich auf der Agenda des Bundes steht.
Direktvermarktung ist in aller Munde: Produkte aus dem Hofladen bestechen durch Frische, Saisonalität und den Charme des Selbstgemachten, dessen ist man sich einig.
Auch der Bund betont in seinem Bericht zur zukünftigen Ausrichtung der Agrarpolitik die Bedeutung der Direktvermarktung für einen nachhaltigen Konsum.
In seinem Bericht schreibt er: «Aufgrund der Nähe zur Konsumentin und zum Konsumenten schafft diese Aktivität gegenseitiges Verständnis und Vertrauen und es kann innovativ und flexibel auf die Konsumentenbedürfnisse reagiert werden. Vorteile vom Direktverkauf für Konsumentinnen und Konsumenten sind die Rückverfolgbarkeit der Produkte, Information über die Produktionsart, keine Normierung der Produkte, Lokalität von Sorten und Vielfalt, transparente Margen, Saisonalität und wenig verarbeitete Lebensmittel.»
Einige Regelungen wie schlechte Scherze
Alles gute Gründe, die Direktvermarktung stärker zu fördern. Doch statt Hürden abzubauen und Bäuerinnen und Bauern zum Betrieb eines Hofladens zu motivieren, existiert ein Vorschriftenwald, in dem auch versierte Juristinnen kaum mehr die Bäume erkennen.
Einige Regelungen muten an wie schlechte Scherze und führen zu den absurdesten Situationen, die ein Verständnis für den Unmut der Bäuerinnen und Bauern gegenüber politischer Bürokratie schaffen und nach der eingreifenden Hand des gesunden Menschenverstandes schreien.
Wer sich ein Bild der Situation von Direktvermarktern verschaffen möchte, besucht am besten einen Hofladen in der Nähe und tauscht sich aus mit den Bäuerinnen und Bauern. Direktvermarktung schafft schliesslich auch direkten Austausch, Kontakt – und das so dringend benötigte gegenseitige Verständnis.
Juckerfarm in Seegräben ZH als Pionier in der Direktvermarktung
So hat auch der Verein «Faire Märkte Schweiz» im Rahmen seines einjährigen Geburtstages diese Gelegenheit genutzt und einen absoluten Pionier der Direktvermarktung, die Juckerfarm, vor Ort besucht. Und damit einen Einblick in die Anekdoten und Absurditäten beim Betrieb eines Hofladens in der Landwirtschaftszone erhalten.
Die erste Hürde beim Aufbau eines Hofladens ist bereits zu Beginn zu überspringen und entstammt dem Raumplanungsgesetz und der Raumplanungsverordnung.
So ist ein Bauernhof per Definition normalerweise in der Landwirtschaftszone angesiedelt, für die ganz bestimmte Regeln für den Betrieb eines Hofladens gelten.
Zonenkonform sind nur Hofläden, bei denen alle Produkte aus der Region und mindestens 50 Prozent vom eigenen Hof stammen.
Getreide zu Mehl mahlen, ist zonenkonform, daraus Brot zu backen nicht
Bei verarbeiteten Produkten dürfen Drittprodukte dazu erworben werden, sofern sie weniger als die Hälfte der Inhaltsstoffe ausmachen. Zitronensaft im Fruchtkompott also ja, eine Zitrone im Hofladen aber nein. So weit, so verständlich.
Unverständlich wird es aber, wenn es um die Verarbeitung der Produkte in der Landwirtschaftszone geht. Die Verarbeitung der eigenen Produkte ist nämlich nur bis zur ersten Verarbeitungsstufe zonenkonform.
Konkret heisst das: Getreide zu Mehl mahlen, ist zonenkonform, daraus Brot zu backen aber nicht. Das Waschen und Rüsten von Kartoffeln ist zonenkonform, die Verarbeitung zu Kartoffelchips aber nicht.
In einer Zeit, in der von Bauern Innovation und Neuaufstellung erwartet wird, ist dies eine Skurrilität sondergleichen. Schliesslich wäre das Angebot schnell verzehrbarer Snacks und Zwischenverpflegung eine Hinwendung zum Kundenbedürfnis und würde die Attraktivität der Direktvermarktung steigern.
Doch das Gestrüpp der Gesetze wird noch dichter. Zwar schreibt der Bund selber: «Vorteile vom Direktverkauf für Konsumentinnen und Konsumenten sind die Rückverfolgbarkeit der Produkte, Information über die Produktionsart, keine Normierung der Produkte (...).» Die Normierung wird aber radikal eingefordert.
So werden Etiketten genau unter die Lupe genommen, wobei es einen ganzen Katalog an Parametern zu beachten gilt. Ein Hof darf zum Beispiel nicht darauf hinweisen, dass Säfte keinen zusätzlichen Zucker enthalten und frei von Konservierungsstoffen sind, obwohl dies von Kundinnen und Kunden immer wieder gefragt wird.
Dieser Hinweis dürfte nur dann auf das Etikett gedruckt werden, wenn für jedes Produkt eine Nährwerttabelle auf dem Etikett ersichtlich wäre.
Dafür müsste von jedem Produkt eine Probe ins Labor gesendet werden, um eine Nährwerttabelle zu erhalten, was mit hohen Kosten und Personalaufwand verbunden wäre.
Stärkung der Direktvermarktung muss nicht zwingend Geld kosten
All diese Regelungen haben mit Sicherheit ihren Grund, könnten aber mit etwas Kompromissbereitschaft problemlos behoben und für Hofläden angepasst werden, um den Einstieg in die Direktvermarktung zu erleichtern. Dies war eine Forderung meiner Motion «Stärkung der Direktvermarktung», die vom Nationalrat am 12.03.24 angenommen, dann aber in der Kommission abgelehnt wurde.
Besonders nach dem Ausflug auf die Juckerfarm wird sich nun auch der Verein «Faire Märkte Schweiz» noch einmal verstärkt für das politische Anliegen einsetzen.
Denn eine Stärkung der Direktvermarktung muss nicht zwingend Geld kosten. In vielen Fällen würde es reichen, ein paar Kompromisse zuzulassen und den Vorschriftenwald mit der Säge des gesunden Menschenverstandes auszudünnen. Eine Möglichkeit, direkt selbst aktiv zu werden, bietet das neue Projekt lokalundfair.ch.
Denn: Wenn die Mühlen der Politik noch langsam mahlen, können wir Konsumierenden bereits entschieden voranschreiten.
Zur Person: Meret Schneider (31) war bis vor Kurzem Mitglied des Schweizer Nationalrats (2019 bis 2023). Sie arbeitet als Projektleiterin beim Kampagnenforum. Weiter ist sie Vorstandsmitglied der Grünen Partei Uster ZH.