Bundesregierung kritisiert Lufthansa wegen zögerlicher Ticketerstattung
Die Bundesregierung hat die Lufthansa wegen der zögerlichen Erstattung von coronabedingt ausgefallenen Flügen scharf kritisiert.
Das Wichtigste in Kürze
- Fluggesellschaft: Schon zwei Milliarden Euro an Erstattung ausgezahlt .
«Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Lufthansa trotz der massiven staatlichen Hilfen ihren gesetzlichen Verpflichtungen bislang nicht nachkommt und den Kunden ihre Gelder nicht unverzüglich zurückzahlt», sagte Wirtschaftsstaatsekretär Ulrich Nussbaum dem «Spiegel». Die Lufthansa erklärte, sie stehe beim Thema Erstattung «im besten Kontakt» mit der Regierung.
Nussbaum sagte dem «Spiegel», es gehe um eine «Frage des Vertrauens». Schon bei den Verhandlungen über das Hilfspaket sei über dieses Thema gesprochen worden, der Bundesregierung sei es «sehr wichtig». Der Staatssekretär hatte für das Wirtschaftsministerium mit der Lufthansa über die rund neun Milliarden Euro an staatlicher Hilfe zur Bewältigung der Corona-Krise verhandelt.
Der «Spiegel» zitierte aus einer aktuellen Stellungnahme des Konzerns für das Luftfahrt-Bundesamt, wonach die Airline von 4,48 Millionen Erstattungsanträgen erst 3,24 Millionen bearbeitet habe. Rund 1,24 Millionen Anträge seien also noch offen. Bei der Tochter Eurowings seien erst rund die Hälfte der 378.000 Anträge auf Erstattung bearbeitet worden.
Das Luftfahrt-Bundesamt hat laut «Spiegel» bereits ein Ordnungswidrigkeitverfahren gegen die Lufthansa eingeleitet. Nachdem das Unternehmen der Behörde erste Informationen über die ausgebliebenen Erstattungen übermittelt habe, halte diese eine Geldstrafe zwischen einer halben und einer Million Euro für angemessen.
Die Lufthansa hatte für Ende Juli angekündigt, die automatisierten Erstattungssysteme wieder einzuschalten. Zuvor waren die Anträge zeitaufwändig einzeln bearbeitet worden.
Eine Sprecherin der Lufthansa betonte, im Jahr 2020 seien für die gesamte Lufthansa-Gruppe bisher mehr als zwei Milliarden Euro an Erstattung ausbezahlt worden. Flüge aus den Monaten März und April seien bereits weitestgehend abgearbeitet. Weniger als eine Milliarde Euro an Erstattungen stehe noch aus.
Nach dem europäischen Fluggastrecht muss die Rückerstattung für gestrichene Flüge eigentlich binnen sieben Tagen nach der Mitteilung über die Annullierung erfolgen. Das gilt nicht nur für europäische Fluglinien, sondern bei jeder Buchung eines Flugs mit Abflugort in einem EU-Land. Die von Airlines nach den Corona-bedingten Stornierungen vielfach ausgestellten Gutscheine müssen die Kunden nicht akzeptieren. Lehnen sie den Gutschein ab, behalten sie ihren Anspruch auf Kostenerstattung.
An diese Regelungen hielt sich in den vergangenen Monaten fast keine Airline. Verbraucherschützer warfen der Lufthansa gar «Vorsatz» vor; das Unternehmen spiele auf Zeit.
Bei der Schlichtungsstelle für den Öffentlichen Personenverkehr (SÖP) gingen bis Ende Juli 18.000 Anträge auf aussergerichtliche Klärung von Fluggast-Ansprüchen ein, wie die «Welt am Sonntag» berichtete. Dazu kämen 3200 Beschwerden von Bahnkunden. Die Zahl der Fälle stieg damit um 52 Prozent im Vorjahresvergleich. SÖP-Chef Heinz Klewe sagte der Zeitung, in 90 Prozent der Fälle komme es zu einer Einigung.
Die Erstattungspraxis der Fluggesellschaften ist laut einer Auswertung von 54.000 Fällen des Rechtsdienstleisters Fairplane sehr unterschiedlich, wie «Welt am Sonntag» weiter berichtete: Kunden von Easyjet wurden demnach in 96 Prozent aller Fälle bereits entschädigt, es folgen Austrian Airlines mit 58 Prozent und Singapore Airlines mit 39 Prozent. Am Ende der Skala stehen laut Bericht Laudamotion mit zwei Prozent und ihre Muttergesellschaft Ryanair mit fünf Prozent. Die Lufthansa-Töchter Eurowings und Swiss kommen demnach auf vier beziehungsweise fünf Prozent.