Chef per Los? Soziologin fordert neues System
Wer seinen Chefposten per Losentscheid erhält, ist bescheidener und verlangt weniger Lohn. Deren Ernennung sollte künftig daher per Zufall geschehen.
Das Wichtigste in Kürze
- Reich werden wird massgeblich von einem Faktor beeinflusst: reich sein.
- Abhilfe verspricht die Anerkennung des Zufalls als Beförderungsgrund, so eine Studie.
- Chefposten sollten künftig per Losverfahren vergeben werden, sagt Soziologin Katja Rost.
«Rund 80 Prozent der CEOs kommen aus dem Grossbürgertum.» Für die Soziologin Katja Rost ist klar: Die Chefs schaffen es nicht nur wegen ihrer Ausbildung oder ihrem Talent an die Spitze. «Wer in einem reichen Elternhaus aufwächst, weiss, wie man sich in diesen Kreisen bewegt.» Ein riesiger Vorteil.
Von der Bedeutung des Zufalls
Wie die Professorin im «UZH Magazin» der Uni Zürich erklärt, verleiht Reichtum auch die Möglichkeit, sich zu kaufen, was einem fehlt. Beispiel: Donald Trump. Der sei selbst nicht attraktiv.
Doch der US-Präsident sei Dank seines Vaters reich geboren. Dadurch habe er sein dürftiges genetisches Kapital aufwerten können, indem er sich mit schönen Frauen fortpflanzen konnte. Für seine Kinder wiederum ein Vorteil. Denn: wer gut aussieht, ist beruflich wie privat erfolgreicher, erklärt Rost.
Die Soziologin betont dabei die Bedeutung des Zufalls für den Erfolg. «Glück oder glückliche Umstände erklären einen Grossteil der Leistungsunterschiede bei Unternehmen und Individuen.» Nur: den meisten Managern sei die Rolle des Glücks nicht bewusst.
Für Rost ist daher klar: «Wenn es ein Bewusstsein dafür gäbe, dass ein schöner Teil des Erfolgs äusseren Umständen, das heisst eben Glück und Zufall geschuldet sind, wären die exorbitanten Gehälter nicht mehr zu rechtfertigen.» Heute würden Chefs hingegen heroisiert, was zu Selbstüberschätzung führe.
Den Zufall in die Auswahl einbauen
Katja Rost schlägt daher vor, im Auswahlverfahren von Chefs ein Zufallsverfahren einzuführen, konkret eine Lotterie um Chefposten. Das Verfahren könne bei der Besetzung von Spitzenpositionen in Wissenschaft und Wirtschaft eingesetzt werden. Oder bei der Vergabe von politischen Ämtern.
Rost hatte ein Experiment durchgeführt: Studierende mussten als Manager entscheiden, wie eine begrenzte Lohnsumme zwischen ihnen selbst und den Mitarbeitenden aufgeteilt werden soll.
Diejenigen Studenten-Manager, die ihren Chefposten durch eine übliche Auswahl nach Leistung bekamen, behielten einen viel grösseren Teil des Geldes für sich selbst als jene Manager, die durch das Losglück ausgewählt wurden.
Letztere waren sich bewusst, dass sie ihre Machtposition nicht nur ihrer Leistung, sondern auch dem Zufall verdankten – und das machte sie bescheidener.
Wer hat, dem wird gegeben
Die Vorteile des Losverfahrens liegen für Rost daher auf der Hand: Mitarbeiter könnten auf eine gerechtere Verteilung der finanziellen Mittel – sprich: mehr Lohn – hoffen, weil die Lohnsumme gleichmässiger verteilt wird. Zudem werden Verzerrungen vermieden, etwa nach Geschlecht oder Alter.
Das Los dürfe aber erst im zweiten Schritt entscheiden. Zuerst müssten geeignete Kandidaten ausgewählt werden. Damit würde sichergestellt, dass der Chefposten auch an eine kompetente Person gehe. Doch auch in Zukunft wird sich am «Matthäus-Prinzip» nichts ändern: Wer hat, dem wird gegeben.