Debatte um Kapitalisierung der Banken voll entbrannt
Nach der Notrettung der Credit Suisse ist die Debatte um die Kapitalisierung der Schweizer Banken wieder in den Fokus gerückt. Befürworter sehen in der Forderung deutlich höherer Kapitalquoten ein einfaches Mittel für stabilere Bankinstitute, Gegner warnen dagegen vor Risiken für die Volkswirtschaft.
Tatsächlich sehen die Kapitalquoten gerade der Grossbanken äusserst niedrig aus. So wies die CS per Ende 2022 eine «harte Eigenkapitalquote» (Leverage Ratio) von 5,4 Prozent aus und die UBS nur gerade von 4,4 Prozent – womit sie allerdings im Rahmen der Anforderungen der Regulierer bleiben.
In keiner anderen Branche existierten gesunde Firmen mit 5 Prozent Eigenkapital, stellte die US-Ökonomin Adnat Admati unlängst in einem Interview mit der «Wochenzeitung» (WoZ) fest. Die Wirtschaftsprofessorin aus Stanford hatte bereits im Nachgang zur Finanzkrise 2008 zusammen mit dem deutschen Ökonomen Martin Hellwig in einem stark beachteten Buch für höhere Kapitalanforderungen geworben.
Angekommen ist die Forderung auch in der Schweizer Politik. Prominent hatte etwa auch Mitte-Präsident Gerhard Pfister bereits im Vorfeld der CS-Sondersession in der laufenden Woche medienwirksam eine Eigenkapitalquote von mindestens 20 Prozent gefordert. Das Parlament hat nun den Bundesrat mit der Prüfung einer substanziellen Erhöhung der «harten ungewichteten Eigenkapitalquote» beauftragt.
Dass eine bessere Kapitalisierung den Banken mehr Widerstandsfähigkeit verleihen würde, klingt einleuchtend. Für Wirtschaftsprofessor Sergio Rossi von der Universität Freiburg etwa ist klar: Je risikoreicher die Aktivitäten einer Bank sind, desto höher sollte eigentlich ihr Eigenkapital sein, wie er im Gespräch mit der AWP sagte.
Ein Eigenkapital von mindestens 20 Prozent verstärke nicht nur die Solvenz des Unternehmens, gab sich auch der Luzerner Ökonom Christoph Schaltegger im «NZZ Magazin» überzeugt. Es mache auch risikoreiche Geschäftsstrategien unrentabel: Verluste würden so durch das Eigenkapital aufgefangen und könnten nicht mehr einfach auf die Allgemeinheit überwälzt werden.
Derweil wird aber auch Widerspruch gegen eine deutliche Erhöhung der Kapitalanforderungen laut. So warnte der Ökonom Klaus Wellershoff in der «Handelszeitung» vor volkswirtschaftlichen Schäden: Systemrelevante Banken wie Postfinance oder Raiffeisen müssten ihr Geschäft schrumpfen, wenn sie das benötigte Eigenkapital nicht beschaffen können. Dies könnte direkt in eine «gigantische Kreditkrise» führen, so der Berater und frühere UBS-Chefökonom.
Die Kritiker verweisen dabei auf hohe Kosten für die Beschaffung von zusätzlichem Eigenkapital für die Banken im Bereich von 9 bis 10 Prozent. Dies könnte nicht nur die Profitabilität der Institute verringern. Würden sie die Kosten auf ihre Kunden überwälzen, so könnten etwa die Hypothekarzinsen stark steigen, so die Befürchtung: In einem «Blick»-Artikel werden unter Berufung auf Zahlen der Raiffeisen-Gruppe Aufschläge für einen Hypothekarkredit von rund 1,5 Prozentpunkten genannt.
Ein spezielles Problem hätte zudem die künftig einzig verbleibende Schweizer Grossbank UBS: Ein Schweizer «Alleingang» würde für sie massiv höhere Anforderungen im Vergleich mit ihren internationalen Konkurrenten bedeuten.
Befürworter bestreiten derweil einen Einfluss höherer Eigenkapitalquoten auf die Kreditvergabe durch die Banken. Sollte Eigenkapital für Banken tatsächlich derart teuer zu beschaffen sein, zeige dies vor allem, dass potenzielle Geldgeber eine solche Investition als risikoreich betrachteten, so das Argument. «Falls niemand ihre Aktien kaufen will, ist dies ein klares Zeichen dafür, dass die Bank ungesund und möglicherweise gar insolvent ist», sagte etwa Ökonomin Admati.
Äusserst wortkarg in der Debatte gibt sich derzeit noch die Branche selbst. Für die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) ist zunächst ein «vertieftes Verständnis der Vorgänge und Ereignisse notwendig», bevor man sich zu Empfehlungen zur allfälligen Anpassung der Bankenregulierung äussere, wie ein Sprecher auf Anfrage verlauten liess. «Die dafür benötigte Informationsgrundlage ist aktuell noch nicht gegeben.»
Klare Kapitalvorschriften könnten derweil auch die komplexen Regulierungen transparenter machen. So berichten die meisten Banken weiterhin lieber über ihre «risikogewichteten Eigenkapitalquoten», die auf einer Risikobewertung ihrer Anlagen beruhen. Diese Quoten sehen zwar optisch besser aus, sind wegen der zugrunde liegenden Modelle aber kaum durchschaubar.
Wenig von einem solchen Ansatz hält auch der Freiburger Wirtschaftsprofessor Rossi: Die derzeitige Bankenregulierung sei eigentlich ein «Hirngespinst der Regulierungsbehörden», meint er. «Es ist faktisch unmöglich, die Risiken der verschiedenen Kategorien von Finanzanlagen zu bewerten.»