Elektroautos steigern Nachfrage nach umstrittenem Kobalt
Ob in Akkus von Smartphones oder Elektroautos: Drin ist immer Kobalt. Der Abbau des Metalls ist allerdings umstritten.
Das Wichtigste in Kürze
- Kobalt ist wichtiger Bestandteils einer Batterie für E-Autos.
- Die Nachfrage hat mit dem E-Auto-Boom massiv zugenommen.
- Glencore hat im Kobalt-Markt einen Anteil von rund 30 Prozent.
- Hilfswerke kritisieren den Konzern regelmässig.
Die Zukunft des Automobils ist elektrisch, glaubt die Branche. Praktisch jeder Hersteller entwickelt E-Autos. Allein die deutsche Premium-Marke BMW will bis 2023 zwölf reine Strom-Autos im Angebot haben. Und Volkswagen plant, in den nächsten zehn Jahren 70 neue E-Fahrzeuge auf den Markt zu bringen.
Die Batterie-Produktion benötigt viele Rohstoffe, einige davon sind hoch umstritten. Vor allem Kobalt steht in der Kritik, teils unter menschenunwürdigen Umständen abgebaut zu werden.
Das Metall ist ein Nebenprodukt von Kupfer und Nickel. Und erlebt diese Tage einen Mega-Boom, getrieben von der Nachfrage nach E-Autos. Denn im Akku eines Elektroautos steckt rund 3000-mal mehr Kobalt als bei einem Smartphone.
Jährlich werden 100’000 Tonnen Kobalt gefördert, innert zehn Jahre hat sich der Markt verdoppelt. Schon nächstes Jahr sollen es 150’000 sein, schätzen Analysten. Drei Viertel davon liegen im Kongo.
Hier ist der Schweizer Rohstoffmulti Glencore dick im Geschäft. Der Konzern hat laut Branchenkennern beim Kobalt einen Marktanteil von rund 30 Prozent. Im Kongo betreibt das Unternehmen zwei Minen, die das Metall fördern. Dadurch gerät Glencore regelmässig ins Visier von Hilfswerken: Sie werfen dem Konzern Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung vor.
Milliarden-Geschäft im Kongo
Für Schlagzeilen sorgte letzte Woche ein Unfall in einer Kupfer-Mine einer Glencore-Tochter im Kongo. Auf eigene Faust haben sich Bergleute Zugang zu einem Stollen verschafft, welcher plötzlich einstürzte. Dabei sind laut dem Rohstoffmulti 26 Menschen gestorben, Hlifswerke sprechen von 40 Toten.
Über 200 Milliarden Dollar setzt Glencore jährlich um. Damit ist der Rohstoffkonzern eines der umsatzstärksten Unternehmen der Schweiz. Profit auf Kosten der ärmlichen Bevölkerung im Kongo?
Sprecherin Sarah Antenore weist den Vorwurf zurück. «Dem Land fehlen wirtschaftliche Perspektiven. Wir sehen es deshalb als Teil unserer Verantwortung, die Gemeinden in denen wir tätig sind, bei ihrer nachhaltigen sozioökonomischen Entwicklung zu unterstützen.» So baut und repariert Glencore etwa Schulen und stattet diese mit Unterrichtsmaterial aus. Man arbeite daran, nachhaltige Beschäftigungsmöglichkeiten für die Bevölkerung zu schaffen.
Der Schweizer Konzern hat im Kongo seit 2015 knapp zwei Milliarden Steuern und Abgaben gezahlt. Und: «Wir haben 25 Millionen Franken in sozioökonomische Projekte, über 5 Millionen in die Gesundheitsversorgung und fast 9 Millionen Franken in nationale Ausbildungsprogramme investiert.»
«Versuchen Umweltverschmutzung zu minimieren»
Auch die Kritik wegen Umweltverschmutzung lässt sie so nicht gelten. «Es ist uns wichtig, die Auswirkungen unserer Tätigkeit auf die Umwelt zu minimieren.» So hat der Konzern neue Brunnen gebaut und bestehende saniert. Glencore hält fest, dass man nicht das einzige Unternehmen sei, das in der Region tätig ist.
Um die Staubbelastung rund um seine Betriebe zu reduzieren, asphaltiere der Konzern Strassen – «Auch wenn wir speziell für diesen Zweck vorgesehene Strassen-Steuern an die Regierung zahlen.» Für Hilfewerke reicht dies aber nicht aus.
Hilfswerke klagen über dreckige Luft
Brot für alle kennt die Situation vor Ort. Erst im Frühjahr haben Mitarbeiter des Hilfswerks eine umfassende Recherche zum Thema publiziert (hier klicken). Sprecher Lorenz Kummer kritisiert primär die «wiederkehrende Verschmutzung von Böden und Luft und den mangelnden Zugang der Bevölkerung zu sauberem Wasser im Umfeld der beiden Minen.»
Entschädigungen für verschmutzte Felder und zerstörte Ernten seien erst «nach langem Kampf und unvollständig» geflossen. Für Keller ist klar: «Der Profit müsste deshalb auch der Bevölkerung zugute kommen.» Leider sei dies nur sehr selten der Fall.
Was müsste sich ändern? «Sollte Glencore seine Sorgfaltsprüfungspflicht akzeptieren und vollumfänglich umsetzen, könnte dies mittelfristig dazu führen, dass es zu weniger Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden im Umfeld ihrer Minen kommt.» Als Mittel dazu sieht er die Konzernverantwortungs-Initiative, welche Brot für alle mit mehreren Hilfswerken lanciert hat.
Autobauer wollen Kobalt reduzieren
Und nicht nur das: «Zusätzlich müsste Glencore auch seine Praxis der Steuervermeidung ändern und akzeptieren, dass ein grösserer Teil des Gewinns aus dem Kobalt-Bergbau der Bevölkerung der Länder zugute kommen muss, in denen die Rohstoffe lagern.»
Gut möglich, dass die Kobalt-Thematik sich von selbst entschärft. Mehrere Autobauer wollen den Rohstoff reduzieren. Schon heute ist der Anteil merklich geringer als noch vor wenigen Jahren.
Seit dem ersten Roadster hat Tesla den Kobalt-Anteil in den Batterien um 59 Prozent verringert. Geht es nach dem E-Auto-Pionier, sollen künftige Akkus ohne Kobalt auskommen. Ähnliche Pläne hat der chinesische Autobauer BYD, grösster E-Autobauer der Welt.