Die Untersuchung der Raiffeisen findet im Fall Vinzenz kein strafrechtlich relevantes Verhalten. Wirtschaftsrechtler Peter V. Kunz schätzt den Bericht ein.
Peter V. Kunz
Wirtschaftsrechts-Professor Peter V. Kunz von der Universität Bern. - zvg

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Raiffeisen hat heute den Untersuchungsbericht zu Fall Pierin Vincenz publiziert.
  • Die Bank hat gravierende Mängel beim Management des ehemaligen Chef gefunden.
  • Wirtschaftsrechts-Professor Peter V. Kunz hält die Untersuchung für professionell.
Ad

Nau.ch: Die Untersuchung von Bruno Gehrig hat im Fall Pierin Vincenz keine Informationen für strafrechtlich relevantes Verhalten gefunden, stellte aber gravierende Mängel im Management fest. Überrascht Sie das Resultat?

Peter V. Kunz: Ich hatte keine spezifische Erwartungen, sondern wartete einfach einmal die Ergebnisse ab. Die Untersuchung wurde aber umfassend und professionell vorgenommen. Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass es sich um eine private Untersuchung handelte, nicht um eine staatliche Untersuchung der Staatsanwaltschaft; insofern waren die Möglichkeiten dieser Privatuntersuchung von vornherein beschränkt. Etwa wegen der Unmöglichkeit von eigentlichen Zeugeneinvernahmen oder von Rechtshilfe.

Nau.ch: Vinzenz war sehr lange in U-Haft. Glauben Sie, dass die Strafuntersucher in Zürich zum gleichen Ergebnis kommen?

Kunz: Das ist völlig offen, und dazu sollte nicht spekuliert werden. Aus einer U-Haft darf indes keine Schuldvermutung abgeleitet werden. Immerhin wäre es doch überraschend, wenn die Strafbehörden in Zürich nach der langen U-Haft und der langen Untersuchung nicht zumindest eine Anklage erheben würden; täten sie dies nicht, müsste mit erheblichen Schadenersatzforderungen gerechnet werden. Doch selbst eine Strafanklage beweist noch gar nichts.

Nau.ch: Drei weitere Mitglieder der Raiffeisen-Führung sind zurückgetreten. Ist der Fall Vincenz für die Bank damit überwunden?

Kunz: Es ist ein wichtiger Zwischenschritt bei der Erledigung der Altlasten, doch abgeschlossen ist der Fall für Raiffeisen noch lange nicht. Anscheinend will Raiffeisen ja Rückforderungsklagen wegen den Kaufpreisen der Beteiligungen geltend machen, so dass es sicherlich zu Zivilprozessen kommen wird. Fortsetzung folgt!

Nau.ch: Raiffeisen will sich reformieren. Geht der Paket «Reform 21» weit genug?

Kunz: Ich denke, dass Raiffeisen viel aus diesen negativen Erfahrungen gelernt hat. Keine Reform wird perfekt sein, doch es geht sicherlich in die richtige Richtung. Zentral scheint mir insbesondere, dass die Machtverlagerung weg von der Zentrale St. Gallen in die eigentlichen Banken nicht bloss auf dem Papier erfolgt, sondern in der Realität. Wir werden aber erst etwa in fünf Jahren sehen, ob sich die Reformschritte in der Praxis bewährt haben, und allenfalls wird es dann erneut Anpassungen brauchen. Ständige Veränderungen sind unerlässlich, nicht allein bei Raiffeisen, sondern generell bei Unternehmen.

Nau.ch: Ist die Raiffeisen damit so aufgestellt, dass ein weiterer Fall Vincenz nicht mehr vorkommen dürfte?

Kunz: Die Ursachen für den «Fall Vincenz» waren sowohl personell als auch strukturell bedingt. Beide Bereiche wurden rundum erneuert. Strukturell geht es in die richtige Richtung, wobei ich nach wie vor eher die Rechtsform der Aktiengesellschaft statt der Genossenschaft befürworten würde, doch dies wird nicht geschehen; die strukturellen Verbesserungen der Corporate Governance und der Legal Compliancen sind aber positiv. Personell wird sich der neue Verwaltungsrat, inklusive dem VRP, und die Geschäftsleitung, inklusive dem CEO, nun erst einmal bewähren müssen – ein gewisses Vorschussvertrauen scheint mir aber durchaus angebracht.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Raiffeisen