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Rechnet der Bundesrat die Luftfahrt wichtiger, als sie ist?

Redaktion
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Bern,

Gemäss dem Bundesrat beschäftigt die Luftfahrt-Branche 190'000 Mitarbeitende. Doch Statistiken des Bundes zeigen ein ganz anderes Bild.

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Bundesrat Guy Parmelin spricht an einer Medienkonferenz zur aktuellen Coronavirus-Situation in der Schweiz. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Gemäss dem Bundesamt für Statistik beschäftigt die Luftfahrt-Branche 16'700 Personen.
  • Die Swiss hat aktuell 9500 Mitarbeiter.

Der Bundesrat will der Luftfahrt-Branche in der Corona-Krise unter die Arme greifen. Eine konkrete Lösung wird noch ausgearbeitet, im Vordergrund stehen Staatsgarantien.

Dass die Luftfahrt systemrelevant ist, bestreitet niemand. Selbst die Grünen schliessen eine Finanzspritze durch den Staat nicht gänzlich aus. Denn klar ist: Ohne Airlines und Flughäfen kämen viele Branchen in Bedrängnis; der Tourismus etwa oder die Exportindustrie.

Die Flugbranche ist ein wichtiger Arbeitgeber. In der Medienmitteilung vom vergangenen Mittwoch schreibt der Bundesrat: «Gemessen an Vollzeitstellen beschäftigt die Luftfahrtbranche mehr als 190'000 Mitarbeitende in der Schweiz.»

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Der Grossteil der Swiss-Flotte steht derzeit wegen der Corona-Pandemie nicht im Einsatz. Nun prüft der Bund Staatshilfen für die Luftfahrtindustrie. (Archivbild) - sda - KEYSTONE/ENNIO LEANZA

Eine stolze Zahl. Zum Vergleich: Gemäss jüngsten Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) sind im Detailhandel 235'000 Menschen beschäftigt. In der Gastronomie arbeiten 130'000 Personen, in der Banken-Branche knapp über 100'000.

Arbeiten also in der Luftfahrt fast doppelt so viele Menschen wie in der Finanzbranche? Nein. Laut dem BFS beschäftigen Luft- und Schifffahrt zusammen 16'700 Personen.

BFS rechnet anders

Bei den Zahlen des Bundesamts handelt es sich um Vollzeitäquivalente. Heisst: Hier wird auf Vollzeitstellen hochgerechnet. Zwei Angestellte mit einem 50-Prozent-Pensum werden dabei als eine Vollzeitstelle gerechnet. Doch die Rechenweise erklärt den riesigen Unterschied zwischen den Zahlen des Bundesamts und Bundesrats nicht.

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Swiss-CEO Thomas Klühr deutet für den Bedarf an Staatshilfe an. - sda - KEYSTONE/ENNIO LEANZA

Dass die Wahrheit näher bei den Bundesstatistikern liegt, zeigen auch Angaben der Swiss. Die Lufthansa-Tochter beschäftigt aktuell 9500 Personen. Gemäss Aerosuisse, dem Dachverband der Schweizerischen Luft- und Raumfahrt, ist die Branche für 34'000 direkte und indirekte Arbeitsplätze verantwortlich. Indirekte Jobs sind etwa bei Zulieferern, etwa Firmen, welche für die Bord-Küche Lebensmittel produzieren.

Aerosuisse erklärt auf Anfrage von Nau.ch allerdings, dass die Zahl des Bundesrats stimme. Der Verband verweist den «Luftfahrtpolitischen Bereich 2016», welcher unter Führung des damaligen Bundespräsidenten Johann Schneider-Ammann entstanden ist. Dort steht: «Bezieht man die katalytischen Effekte mit ein, so kommt man auf einen Arbeitsmarkteffekt von 190'000 Vollzeitstellen.»

«Nicht exakt quantifizierbar»

Doch was heisst das? In die Rechnung miteinbezogen werden auch Jobs, welche etwa entstehen, weil mit dem Flugzeug angereiste Touristen Geld ausgeben. Oder Arbeitsplätze, die entstehen, indem sich Firmen hierzulande ansiedeln, weil die Standortattraktivität wegen eines Flughafens steigt.

Im Bericht wird erwähnt, dass die katalytischen Effekte nicht exakt quantifiziert werden können. Das hält aber Branchenvertreter nicht davon ab, die Zahl zu verbreiten. Das Onlineportal «Das Lamm», welches jüngst über die Thematik berichtete, kommentierte: «Die 190'000 Arbeitsplätze sind vor allem eins; ein Versuch, sich vor dem drohenden Crash wichtiger zu machen, als man ist.»

Gut möglich, probiert dies auch der Bundesrat. Denn er weiss: Es braucht gute Argumente, um der Bevölkerung nach dem Swissair-Debakel Milliarden-Spritzen für die Luftfahrt zu verkaufen.

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