Scharfe Kritik an Klöckner wegen Vorwürfen an Länder nach Lebensmittelskandalen
Das Wichtigste in Kürze
- Foodwatch: Ministerin will von eigener Verantwortung ablenken.
Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) verwies am Wochenende auf die Zuständigkeit der Länder. Dafür erntete sie Kritik von der Verbraucherorganisation Foodwatch: Die Ministerin wolle von ihrer eigenen Verantwortung ablenken. Auch die FDP forderte Klöckner zum Handeln auf.
Klöckner sagte der «Bild»-Zeitung von Samstag zu den Lebensmittelkontrollen: «Ich lege Wert darauf, wenn die Länder stets ihre Zuständigkeit hier betonen, dass sie ihrer Verantwortung auch mit ausreichend Personal für diese Aufgabe gerecht werden». Sie erwarte «regelmässige, effektive Kontrollen vor Ort».
Ausserdem wolle sie wissen, «wo die Schwachstellen vor Ort liegen», sagte sie der Zeitung. Die Länder müssten auch bereit sein, über eine «stärkere Konzentration und Bündelung von Verantwortlichkeiten» zu sprechen, um das System der Lebensmittelkontrolle zu optimieren.
Foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker erklärt, Klöckner unternehme «einen ebenso plumpen wie billigen Versuch, von der eigenen Verantwortung abzulenken». Es gebe nur deshalb immer wieder neue Skandale, «weil die immer gleichen, längst bekannten Schwachstellen und Gesetzeslücken im europäischen und deutschen Lebensmittelrecht nicht beseitigt werden». Die Ministerin habe hier in ihrer bisherigen Amtszeit «keinerlei Initiative» ergriffen.
Ähnlich äusserte sich der agrarpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Gero Hocker. «Dass Frau Klöckner nun reflexartig jegliche Verantwortung von sich weist, ist nicht nachvollziehbar», sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Schliesslich liege die Kompetenz zur zentralen Koordinierung der Lebensmittelüberwachung bei den Bundesbehörden. «Es muss nun kooperativ geschaut werden, wie der nationale Kontrollplan effizienter ausgestaltet werden kann», forderte Hocker.
Gegen die Kritik wehrte sich wiederum Klöckner. «Die Aussagen von Herrn Rücker offenbaren ein bemerkenswertes Verständnis unserer föderalen Ordnung», erklärte ein Sprecher des Ernährungsministeriums am Sonntag. «Plump und billig ist es allenfalls, zu suggerieren, der Bund könne nach Gutsherrenart in die Kompetenz der Länder eingreifen.»
Ausserdem sei es «entlarvend», dass «gerade die FDP hier nun Trittbrettfahrer spielt», fuhr der Ministeriumssprecher fort. Konstruktive Anträge und Vorschläge der Partei zu dem Thema «sind uns nicht bekannt».
Die vzbv-Expertin für Lebensmittelsicherheit, Anne Marquardt, sieht an mehreren Stellen Handlungsbedarf. «Aus unserer Sicht muss sich das System der Lebensmittelüberwachung und auch die Art und Weise, wie Verbraucher informiert werden, ändern», sagte sie im Sender NDR Info. Sie forderte unter anderem mehr Befugnisse für die Kontrolleure und eine regelmässige Veröffentlichung der Kontrollberichte.
Der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure forderte mehr Personal in den zuständigen Behörden. Es würden «dringend» mehr Leute benötigt, sagte Verbandsvize Maik Maschke der «Frankfurter Rundschau». «Wir konnten 2018 nur etwa 42 Prozent der notwendigen Kontrollen machen.»
Zuletzt hatten gleich zwei Skandale um gesundheitsgefährdende Lebensmittel die Verbraucher verunsichert. Beim nordhessischen Wurst-Hersteller Wilke waren Produkte mit Listerien belastet; mindestens zwei Todesfälle werden damit in Verbindung gebracht.
Zudem starteten die Unternehmen Deutsche Milchkontor DMK und Fude + Serrahn einen grossen Rückruf von frischer, fettarmer Milch in Supermärkten und Discountern. Auch hier geht es um eine Belastung mit Bakterien, die krank machen können.