Wenn Ersthelfer in Gefahr sind…

Pascal Rey
Pascal Rey

Basel,

Wenn die medizinische Erstversorgung im Notfall durch Gaffer und Störenfriede gestört wird, kann es Leben kosten!

Zwei Männer griffen einen Rettungssanitäter an. (Symbolbild)
Zwei Männer griffen einen Rettungssanitäter an. (Symbolbild) - Pascal Rey

Endlich kann ich ihn in eine stabile Seitenlage drehen, damit er z.B. bei Erbrechen sich nicht verschlucken kann.

Prompt steigen die Polizistin und die beiden Polizisten aus und drängen die Störenfriede ein wenig zurück. Die Leute lassen es sich nicht nehmen, auch ganz nah an das Geschehnis zu kommen. Schliesslich will man(n) und Frau natürlich etwas davon sehen…

Es ist nun deutlich nach 4 Uhr als ich endlich auf meinem Roller nachhause fahre und mir klar wird, was einer Gefahr man als Ersthelfer ausgesetzt werden kann, wenn man lediglich helfen will.

Das Wichtigste in Kürze

  • Hier berichte ich von einer Situation, welche sich real ereignete.
  • Ich, ein Patient und ca. zehn Gaffer...

Es ist Samstag, der 17. Juni, kurz nach halb 4 nachts, als ich mir mit meinem Roller, nach einem Einsatz eine Fanta holen will und mich eine junge Passantin in der Innenstadt hinzuwinkt. «Helfen Sie bitte meinem Freund, es geht ihm echt schlecht» meint sie.

Aggressiv und arrogant

Vom Roller abgestiegen sehe ich ihn, nach wenigen Metern vor einem Lokal, auf dem Bürgersteig (Trottoir) liegen. Ein junger Mann, etwa ein oder zwei Jahre jünger als ich selbst. Den Alkohol riech ich schon im Stehen. Seine Freundin gibt mir auf Anfrage ihren Namen und ich versuche ihn mehrere Male anzusprechen. Einmal gelingt es mir dann tatsächlich. Doch —> Zack! Ist er wieder weg. Über sein Brustbein versuche ich ihn mit einem Schmerzreiz zu wecken, er reagiert nicht. Hinter mir beginnen die ersten Pöbeleien und eine junge und zornige Dame rennt vor Wut in einen Kellner auf dem Trottoir, welcher darauf hin seine Gläser auf dem Serviertablett verliert. Sie fängt sich an mit einem jungen Mann hinter mir anzufeinden und die Emotionen kochen hoch. Statt dass sie sich beim Kellner entschuldigt, fängt sie dann an, auch ihn anzufeinden und rastet aus. Ihre hohe Stimmlage und die Arroganz, mit welcher sie die umherstehenden Personen ohne Grund anbrüllt ist nicht zu überhören.

Auch ich drehe mich irritiert um, und sehe inzwischen rund 15 Personen um mich, welche fleissig spekulieren ob er in eine Schlägerei verwickelt wurde oder nur betrunken hier liegt. Es kommen nun auch schon die ersten Verbesserungsvorschläge wie… “Ich habe mal gesehen das Kaffee hilft” oder “warum haust du ihn nicht wie in den Filmen, dann wacht er auf, Du Idiot!”

Die junge Dame, welche noch immer am herumschreien ist, kommt jetzt auf mich zu. Sie stösst mich zur Seite und brüllt mich an. “Ich bin Pflegehelferin, ich kann das auch, verpiss Dich!”.

Gaffer schreiten ein

Verdutzt stehe ich nun in meiner Rettungsuniform vor ihr, schaue sie irritiert an und schweige zu Beginn. Ein Kompetenz- und Titelgerangel wird nun sicherlich nicht die Situation des Bewusstlosen verbessern, deshalb versuche ich sie freundlich zu bitten, sich ein wenig vom Patienten zu entfernen, damit ich mich um den Jungen kümmern kann. Sie schreit mich wiederholt an, fragt mich, was ich überhaupt meine, wer ich bin. Zwei der Gaffer wollen die inzwischen aggressive Dame ein wenig vom Patienten entfernen. Das Stören fällt auf.

Jetzt fängt Sie an mir zu erzählen, dass sie nicht Pflegehelferin, sondern Krankenschwester und Sanitäterin wäre. Ich schenke ihr nun keine Beachtung mehr und konzentriere mich auf den Jungen.

Der Puls des Jungen ist glücklicherweise gut tastbar, einzig hat er eine stark verlangsamte Atemfrequenz (AF).

-Atmung (auch die Atemwege), Check!

-Puls, natürlich auch Check!

-Die Pupillen: reagieren nur noch mässig und sind eng!

-Erweckbar: Negativ!

Die junge und aggressive Dame findet nun wieder den Weg zu mir und schreit mich an. “Mach seine Beine hoch, Du Idiot!”. Betrunken, völlig enthemmt und nicht klar bei Sinnen, reisst sie die Beine des Jungen in die Luft. Ich bin nun kniend vor dem bewusstlosen Jungen und sehe, wie die aggressive Dame nun sehr wütend ihr Bein anfängt zu bewegen. “Wird sie mich gleich in s Gesicht treten? Frage ich mich…” Auch ein weiterer Zuschauer fängt nun an mit Korrekturen nach dem Motto: “Das wurde mir im Nothelferkurs anders gezeigt!”

Die Polizei als Gaffer-Magnet

Da ich nun weder Platz noch Nerv hatte, mich weiter mit den wohl betrunkenen Zuschauern vor dem bewusstlosen Jungen auseinander zu setzen, brauche ich nun die Polizei. Noch bevor ich zu meinem Handy greife, sehe ich von weitem ein langsam patrouillierender Streifenwagen auf mich zukommen. Ich leuchte ihn 2x mit meiner Taschenlampe an. Die Polizisten fahren an mir vorbei, weil sie mich wohl nicht gesehen haben. Schon dachte ich, sie würden wegfahren als sie wendeten und zurück zu mir fuhren. Den zwei Polizeibeamten und der Polizeibeamtin erkläre ich die Sachlage und sie willigen sofort ein, mir zu helfen. Ohne deren Hilfe komme ich sonst unmöglich an den Patienten ran.

Nun kann ich mir endlich Zeit für den Patienten nehmen.

Da sich sein Bewusstseinszustand immer noch nicht verbessert hat, entscheide ich mich den Rettungsdienst hinzuzuziehen. Die Polizistin neben mir, nimmt sofort ihr Funkgerät und alarmiert die Sanität.

Jetzt, wo die Polizei hier ist, kommen immer mehr Zuschauer und die Stimmung ist sehr aufgeheizt. Vor dem Lokal auf offener Strasse, wo wir uns nun befinden, beginnen immer wieder kleine Zankereien und trotzdem versuchen die Polizisten alles, um mir die Zuschauer fern zu halten. Natürlich hat die junge Dame nach wie vor den Mut, mich vor der Polizistin, welche sie immer wieder ein wenig entfernen muss, zu beleidigen und mich in Frage zu stellen.

Endlich kann ich mich wieder um den jungen Mann kümmern.

Einmal reagiert er kurz auf meinen Schmerzreiz und prompt ist er wieder weg. Wiederholt versuche ich Ihn wach zu kriegen, was mir jedoch nicht gelingt. Dem Polizisten drücke ich eine Rettungsdecke, die ich bei mir führte, in die Hand, welche er mit mir an den Patienten anbringt.

Fahrt ins Krankenhaus unumgänglich

Im Hintergrund höre ich nun wie sich wohl ein schweres Gerät nähert und sehe nun den Rettungswagen.

Nach einer kurzen Informationsübergabe (Antreffen, Zustand, Verlauf und Vitalparameter) um kurz vor 4 Uhr, übergebe ich nun der freundlichen Rettungssanitäterin und dem freundlichen Rettungssanitäter den Patienten. Nun beginnt der Vorführeffekt

Als nun die Rettungssanitäter auftauchen und ihn wiederholt ansprechen, reagiert er ein wenig. Trotzdem entscheiden sie sich für eine Fahrt ins Krankenhaus.

Es dauert natürlich noch ein paar Minuten bis er dann endlich abgeschirmt, von den vielen Zuschauern im Rettungswagen liegt. Die Handgriffe sitzen und die Teamarbeit mit Polizei und Rettungsdienst gestaltet sich als sehr einfach.

Nun löst sich endlich auch die Zuschauermenge ein bisschen und ich habe endlich die Gelegenheit mich bei den Polizisten und der Polizistin zu bedanken.

Ich fülle mir im Rettungswagen noch kurz meine Handschuhe auf und wünsche den beiden Rettungsdienstlern eine gute Nacht/Schicht.

Einsatz erledigt!

Deshalb an alle Gaffer, Besserwisser und Respektlosen, bietet eure Hilfe an und sonst entfernt euch von solchen Orten. Euer Verhalten ist dermassen asozial, dass ihr euch fragen müsstet, wie ihr euch fühlen würdet, wenn ihr in Not gewesen wärt und euch alle angegafft und niemand geholfen hätte oder immer wieder dazwischen funkt und Massnahmen unterbindet.

Im dümmsten Falle, geht es dann nämlich um Leben und Tod.

Und wer das macht, ist einfach nur Dumm!

Kommentare

Mehr aus Stadt Basel

Symbolbild
Bauarbeiten
2 Interaktionen