Bern: Wandbild Wylergut wird ins Historische Museum verlegt
Wie die Stadt Bern mitteilt, geht das Wandbild Wylergut als Schenkung an das Bernische Historische Museum. Dort wird 2024 eine Ausstellung stattfinden.
Im Schulhaus des Berner Wylergut-Quartiers befindet sich ein historisches Wandalphabet mit Darstellungen von Menschen, die heute als koloniale Stereotypen erkannt werden.
Die Frage nach dem Umgang mit dem Kunstwerk führte 2019 zu heftigen Kontroversen.
Im Rahmen eines öffentlichen Wettbewerbs suchte die städtische Kommission für Kunst im öffentlichen Raum deshalb nach Projekten, um das Kunstwerk von 1949 kritisch neu zu verorten und zu schulinternen und öffentlichen Debatten anzuregen.
Eine Fachjury gab schliesslich dem Projekt «Das Wandbild muss weg!» von Ashkira Darman, Fatima Moumouni, Vera Ryser, Bernhard Schär und Angela Wittwer den Zuschlag.
Verschiebung des Werkes gefordert
Das Projekt, dem sich inzwischen auch Izabel Barros und Esther Poppe angeschlossen haben, fordert eine Verschiebung des Werkes in ein Museum und eine Kontextualisierung im Rahmen einer Ausstellung.
Nun steht fest: Die Schenkung des Wandbildes an das Bernische Historische Museum kommt zustande.
Die Arbeiten zur Verschiebung des Werkes sind angelaufen. Bis Ende 2023 soll das Wandbild fachgerecht abgenommen sein.
Umgang mit dem Erbe der Kolonialzeit
Franziska Burkhardt, Kulturbeauftragte Stadt Bern und Präsidentin der Kommission für Kunst im öffentlichen Raum, ist erfreut über die erfolgreiche Zusammenarbeit vieler Partnerorganisationen, die zu einem differenzierten Umgang mit diesem heiklen Erbe der Kolonialzeit beitragen.
Besonders den Nachkommen der beiden Künstler Eugen Jordi und Emil Zbinden sei zu danken, dass eine kritische Einordnung des Werks im Kontext seiner Zeit möglich wird.
«Wir sind als Gesellschaft gefordert, uns an konkreten Beispielen mit der Frage auseinanderzusetzen, wie wir in der Gegenwart mit den Weltbildern der Vergangenheit umgehen wollen», so Burkhardt.
Kritik an kolonialen Denkmustern
Insgesamt hatten sich 27 interdisziplinäre Projektteams am städtischen Wettbewerb beteiligt. Das siegreiche Projekt des Vereins «Das Wandbild muss weg» überzeugte die Jury einstimmig.
Die Stadt Bern beteiligt sich mit 55'000 Franken an den Kosten des Projektes, den Rest konnte der Verein bei Stiftungen, der Burgergemeinde Bern, Pro Helvetia und dem Bund einwerben.
Die Verschiebung ins Museum sei deshalb notwendig, so Projektleiterin Vera Ryser, weil das Wandbild stereotype Darstellungen nicht-weisser Menschen in eine Reihe mit Tieren, Pflanzen und Gegenständen einordnet.
Rassistische Denkmuster
Die Buchstaben N und I üben Fremdbezeichnungen ein, die inzwischen diskreditiert sind. «Das wollen wir Kindern so nicht länger vermittelt sehen», so Ryser.
Die Frage, wie rassistische Denkmuster die Gesellschaft und Schulmaterialien historisch und bis heute prägen, sei differenziert zu diskutieren: «Das kann ein Museum besser leisten als eine Schule auf Basisstufe.»
Gastausstellung im Historischen Museum
Aus Sicht von Dr. Thomas Pauli-Gabi, Direktor des Bernischen Historischen Museums (BHM), kann das Museum Hand bieten, damit das Werk durch die Aufnahme in die Sammlung als Zeugnis einer gesellschaftlichen Debatte langfristig erhalten bleibt.
Gleichzeitig bietet die Überführung ins Museum die Chance, die am Wandbild entzündete Debatte in einem musealen Kontext weiterzuführen.
Das BHM hat das Projektteam deshalb als Gastkuratorium eingeladen, das Wandbild in einer Ausstellung mit eigener Autorschaft zu kontextualisieren, welche im April 2024 eröffnet wird.
Neue und überraschende Perspektiven
Ziel dieser Kooperation ist, Räume für einen offenen, mehrstimmigen Diskurs über die komplexen Entstehungs- und Wirkungsgeschichten des Wandbildes zu ermöglichen.
Das Vermittlungsprogramm soll neue und überraschende Perspektiven aufzeigen.
«Das Kunstwerk wird mit der Verschiebung langfristig erhalten und kann als Zeugnis einer Auseinandersetzung dienen, die uns als Gesellschaft weiterbringt», sagt Pauli-Gabi.
Dabei stehe der Austausch mit der Wissenschaft, der Gesamtgesellschaft und explizit auch mit von Rassismus betroffenen Personen im Zentrum.
Verschiebung durch Fachleute
Die Abnahme wird mit Unterstützung des Fachbereichs Konservierung und Restaurierung der Hochschule der Künste Bern (HKB) und durch einen Restaurator und eine Berner Hochschulabgängerin vorgenommen.
Zur Anwendung kommt dabei die möglichst substanzerhaltende Abnahmetechnik, das sogenannte Staccoverfahren.
Dabei wird die Oberfläche der Malschicht zuvor mit einer Facing-Schicht geschützt, mit einer aufgedoppelten Leichtträgerplatte verstärkt und dann zwischen Fein- und Grobputzschicht mit einem Sägedraht hinterschnitten.
Nach der Abnahme wird auf der Rückseite für die Stabilität der Bildfelder ein neues Trägermaterial appliziert. Die Abnahme soll bis Ende Jahr abgeschlossen sein.