Bern: Weniger Straftaten 2022 – Jugendgewalt bleibt weiter zentral
Die polizeiliche Kriminalstatistik weist im Jahr 2022 weniger Straftaten aus als im Vorjahr. Die Jugendgewalt bleibt weiter zentral.
Für das Jahr 2022 weist die polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für den Kanton Bern insgesamt 57’434 (-10 %, Vorjahr: 63’661) strafrechtlich relevante Handlungen aus. Im Bereich aller drei ausgewiesenen Gesetze wurde ein Rückgang der Straftaten verzeichnet.
So wurden 49'290 (Vorjahr: 51'813) Straftaten gegen das Strafgesetzbuch (StGB) und 6’114 (Vorjahr: 9’178) Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz (BetmG) erfasst. 2’030 (Vorjahr: 2’670) registrierte Straftaten betreffen das Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG).
Rialto löste veraltete Systeme ab
Im Frühjahr 2022 hat die Kantonspolizei Bern das neue Vorgangsbearbeitungssystem Rialto eingeführt. Im Rahmen dieses Pionierprojekts wurden mehrere langjährig etablierte, aber inzwischen veraltete Systeme zeitgleich abgelöst.
Das System weist eine hohe Komplexität auf, bringt aber den Vorteil, dass sämtliche polizeilichen Vorgänge nun zentral in einem System verwaltet und verknüpft sind.
Während sich gewisse kantonale Entwicklungen in der PKS erwartungsgemäss mit dem schweizweiten Trend decken, ist davon auszugehen, dass die Rückgänge in einigen Bereichen auch durch die Einführung von «Rialto» beeinflusst sind.
Die allgemeinen Prozessneuerungen und die zeitintensiven Ausbildungen der Mitarbeitenden hatten teilweise Auswirkungen auf die polizeilichen Tätigkeiten, darunter auf den Umfang der präventiven Präsenz.
Dies dürfte gekoppelt mit anderen Faktoren – etwa der Tatsache, dass aufgrund einer Praxisänderung weniger Drogenschnelltests durchgeführt werden – zum Beispiel dazu geführt haben, dass deutlich weniger Übertretungsanzeigen wegen Betäubungsmittelkonsum registriert wurden.
Pandemie vermutlich mit ein Einfluss gewesen
Darüber hinaus dürften in den letzten Jahren auch die pandemiebedingten Umstände einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf die registrierten Straftaten gehabt haben. Die Zahlen pendeln sich nun wieder auf dem Niveau vor 2020 ein.
Es ist daher von zentraler Bedeutung, dass für ein gesamtheitliches Bild über die Entwicklung der Straftaten Mehrjahresvergleiche beziehungsweise Vergleiche mit den Jahren 2018 und 2019 herangezogen werden.
Höchstwert bei schweren Gewaltdelikten – Jugendgewalt bleibt Schwerpunkt
Der Anteil der schweren Gewalt ist nach einem leichten Rückgang im Jahr 2021 wiederum angestiegen (+19%). Bei den total 210 Straftaten handelt es sich um den höchsten registrierten Wert seit Einführung der Statistik im Jahr 2008. Unter die schweren Gewaltdelikte fallen beispielsweise schwere Körperverletzungen (+18 Straftaten, total 95 Straftaten).
«Wird weniger vor der Anwendung schwerer Gewalt zurückgeschreckt, muss uns dies als Gesellschaft aufrütteln. Hier sind auch wir als Polizei gefordert, genau hinzuschauen und mit geeigneten Massnahmen entgegenzuwirken», äussert sich der Kommandant, Christian Brenzikofer.
Bei den angezeigten schweren Körperverletzungen ist festzustellen, dass die Zahl der beschuldigten Minderjährigen im Vergleich zum vergangenen Jahr auf recht hohem Niveau stabil geblieben ist.
Gut jede vierte wegen schwerer Körperverletzung beschuldigte Person war jünger als 18 Jahre. In Bezug auf die Jugendgewalt will die Kantonspolizei Bern mit dem im letzten Jahr gestarteten Schwerpunkt auch im Jahr 2023 weiter ansetzen.
Die Zahl der Delikte, die durch Jugendliche verübt werden, soll reduziert werden. Als konkrete Massnahme haben sich unter anderem die sogenannten Jugendpatrouillen bewährt.
Ziel ist es, dass gerade durch einen direkten und vor allem regelmässigen Kontakt zur jungen Bevölkerung eine nachhaltig positive Beeinflussung stattfindet. Ergänzt wird der Schwerpunkt zum Beispiel mit spezifischer Präventionsarbeit an den Berner Schulen, etwa im Rahmen des eigens erarbeiteten Moduls
«Gewalt in der Schule und der Freizeit».
Eine bürgernahe Polizei – darauf legt der Kommandant Christian Brenzikofer allgemein besonderen Wert. Dazu erklärt er: «Es ist unerlässlich, dass wir uns als Polizei weiterhin nahbar zeigen und mit der Zeit gehen.
Dazu gehört auch, dass wir uns gegenüber wichtigen gesellschaftlichen Themen nicht verschliessen. Aus diesem Grund haben wir im Korps etwa die LGBTIQ-feindliche Gewalt spezifisch thematisiert. Und auch die Elektrifizierung unserer Fahrzeugflotte haben wir weiter vorangetrieben.»
Kein vollständiges Bild bei digitaler Kriminalität
Im vergangenen Jahr wurden weniger Straftaten der digitalen Kriminalität ausgewiesen (-10%, -383 Straftaten). Dieser Rückgang hängt mit einer zusätzlich eingeführten Qualitätskontrolle zusammen. So wurde festgestellt, dass die Rapportierung im komplexen und sich sehr schnell verändernden Bereich der digitalen Kriminalität eine Herausforderung darstellt.
Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, prüfen Spezialistinnen und Spezialisten des Dezernats Digitale Kriminalität die entsprechenden Rapporte zusätzlich. Aus diesem Grund werden einige hundert Straftaten der Cyber-Wirtschaftskriminalität aus dem Jahr 2022 erst 2023 in die polizeiliche Kriminalstatistik einfliessen.
Es ist generell davon auszugehen, dass die Straftaten im Bereich der digitalen Kriminalität in den kommenden Jahren noch weiter steigen beziehungsweise dann auf hohem Niveau stagnieren werden. Gerade Betrugsdelikte werden immer häufiger im digitalen Raum begangen, was zeigt, dass sich Täterschaften dem gesellschaftlichen Wandel anpassen.
Rückgang der Vermögensdelikte, nach wie vor tiefe Einbruchzahlen
Mit 71,1% machen die Vermögensdelikte (35’042 Straftaten, -4%) nach wie vor den weitaus grössten Teil aller Straftaten gegen das Strafgesetzbuch aus. Positiv hervorzuheben ist, dass sich im Kanton Bern die Einbruchdiebstähle mit 2'194 verzeichneten Straftaten nach wie vor auf tiefem Niveau bewegen. Im Jahr 2008 bei Einführung der Statistik waren noch über 5'000 Einbruchdiebstähle erfasst worden.