Berner Regierung lehnt SP-Initiative für Elternzeit ab
Die Berner Regierung beantragt dem bernischen Grossen Rat, die vor einem Jahr von der SP eingereichte Volksinitiative für eine 24-wöchige Elternzeit abzulehnen.
Grundsätzlich stehe sie der Einführung einer Elternzeit positiv gegenüber, schreibt die Kantonsregierung in einer Mitteilung vom Donnerstag, 19. Mai 2022. Die Mitgliedstaaten der EU seien zur Gewährung von Elternzeit verpflichtet.
Auch in den Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD sei sie seit langem etabliert. Studien zeigten zudem positive Auswirkungen auf das Familienleben und die Gleichstellung der Geschlechter.
Die Einführung von Elternzeit sei aber auch in den Kantonen Tessin, Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Waadt ein Thema. Mit einer einheitlichen nationalen Lösung werde dem Anliegen besser Rechnung getragen als mit unterschiedlichen kantonalen Regelungen.
Die Kantonsregierung hält es zudem für sinnvoll, das Ergebnis des Berichts des Bundesrates zu einem Postulat zu diesem Thema in den Eidgenössischen Räten abzuwarten.
Bruttokosten einer Elternzeit um die 200 Millionen Franken
Als weiteres Argument für sein Nein zur Volksinitiative führt der Regierungsrat die Kosten an. Er schätzt die jährlichen Bruttokosten einer Elternzeit von insgesamt 24 Wochen auf um die 200 Millionen Franken. Diese Mehrkosten könnten nur teilweise durch höhere Steuereinnahmen infolge einer gesteigerten Erwerbsquote und tiefere Sozialausgaben kompensiert werden.
Damit die Initiative gültig umgesetzt werden könne, müsste in erster Linie die öffentliche Hand und damit voraussichtlich der Kanton dafür aufkommen. Angesichts der angespannten und unsicheren finanzpolitischen Lage will der Regierungsrat solche Mehrkosten nicht tragen.
Die SP des Kantons Bern reichte das Begehren Ende April des vergangenen Jahres ein. Fast 20'000 Personen unterstützten es mit ihrer Unterschrift. Gemäss Initiativtext sollen von den insgesamt 24 Wochen Elternzeit je sechs Wochen für jeden Elternteil reserviert werden. Die restlichen zwölf Wochen können die Eltern laut Initiativtext frei unter sich aufteilen.
Mit ihrer Ablehnung des Begehrens entscheide die Kantonsregierung nicht nur gegen die Berner Bevölkerung, schreibt das Initiativkomitee in einer Mitteilung vom Donnerstag, 19. Mai 2022. Sie wende sich auch gegen die Berner Wirtschaft. Denn in Anbetracht des akuten Personalmangels in verschiedenen Branchen sei das Anliegen wichtiger und aktueller denn je.
Grosse Rat stellt sein Sessionsprogramm selber zusammen
Wie die zuständige Berner Regierungsrätin Evi Allemann am Donnerstag, 19. Mai 2022, auf Anfrage sagte, geht die Kantonsregierung davon aus, dass sich der Grosse Rat in seiner Wintersession 2022 mit der Initiative auseinandersetzt. Doch stelle der Grosse Rat sein Sessionsprogramm selber zusammen, sagte Allemann weiter.
Stimmt der Grosse Rat einer Initiative nicht zu oder stellt er ihr einen Gegenvorschlag gegenüber, kommt es zu einer Volksabstimmung – es sei denn, der Gegenvorschlag führt dazu, dass das Initiativkomitee das Volksbegehren zurückzieht.
Kommt es zu einer Volksabstimmung, wird diese laut Allemann wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 stattfinden.