Fische betreiben soziale Kontrolle und «Vetternwirtschaft»

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Wie an der Universität Bern erforscht wurde, drücken in Gruppen lebende Buntbarsche bei verwandten Tieren bei Fehlverhalten auch mal ein Auge zu.

Buntbarsche Uni Bern
Eine Familie der «Prinzessin vom Tanganjikasee» in ihrer natürlichen Umgebung, mit dem Brutpaar und mehreren Brutpflegehelfern unterschiedlicher Grösse. - Dario Josi

Kooperativ brütende Fische wie afrikanische Buntbarsche teilen sich Arbeiten unter den verschiedenen Mitgliedern der Gruppe auf. Dazu gehört zum Beispiel die Brutpflege, das Ausgraben von Höhlen um sicheren Unterschlupf zu gewähren, oder die Verteidigung des Territoriums gegen Konkurrenten und bedrohliche Räuber.

Wie stellen die Tiere dabei sicher, dass die ganze Arbeitslast nicht auf einigen wenigen hängen bleibt? Ein wirksames Mittel ist die soziale Kontrolle: dominante Gruppenmitglieder können andere bestrafen, wenn diese sich nicht an der Erledigung dieser Aufgaben beteiligen.

Wer nicht hilft, wird bestraft

Bei sozialen Buntbarschen passiert dies durch körperliche Attacken, die gegen «faule» Gruppenmitglieder gerichtet werden. Wenn daraufhin keine Besserung folgt, werden sie aus der Gruppe vertrieben, was ihre Überlebenswahrscheinlichkeit drastisch herabsetzt.

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Das Ausgraben von Bruthöhlen ist sehr energieaufwendig und wird den Helfern vom dominanten Brutpaar abverlangt. - Barbara Taborsky

Wie sieht das aber aus, wenn es sich um die eigenen Nachkommen handelt, werden diese ebenso hart bestraft, wenn sie sich von der Arbeit drücken? Erwartungsgemäss müssten sie nachsichtiger behandelt werden, da bei einer harten Bestrafung der eigene Fortpflanzungserfolg aufs Spiel gesetzt würde.

Michael Taborsky
Prof. em. Dr. Michael Taborsky vom Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern. - zvg / Courtesy of M. Taborsky

Ob das Verhalten sozialer Tiere diesem Grundprinzip folgt, untersuchten nun Prof. em. Dr. Michael Taborsky vom Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern und Irene Garcia-Ruiz, die im Rahmen ihrer Doktorarbeit Experimente für die aktuelle Studie durchführte.

Irene García-Ruiz
Irene García-Ruiz vom Rubenstein Lab am Department of Ecology, Evolution and Environmental Biology der Columbia University in New York, ehemalige Doktorandin an der Universität Bern. - zvg / Courtesy of I. García-Ruiz

Betreiben Fische Vetternwirtschaft?

Die Abteilung Verhaltensökologie des Instituts für Ökologie und Evolution gehört weltweit zu den führenden, wenn es um die Evolution hochentwickelten Sozialverhaltens geht. Ein zentrales Modellsystem ist hierbei die in Afrika heimische Buntbarschart «Prinzessin vom Tanganjikasee».

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Ein Helfer greift einen bedrohlichen Raubfisch an, wie an dem abgespreizten Kiemendeckel erkenntlich ist. Das Brutpaar ist im Hintergrund (vom Männchen nur die Schwanzflosse) zu sehen. - Michael Taborsky

Diese Art zeigt eine differenzierte Sozialstruktur, die in ihrer Komplexität den kooperativ brütenden Vögeln und Säugetieren – bis hinauf zu den uns nahestehenden Primaten – in nichts nachsteht.

In der aktuellen Studie konnten Taborsky und Garcia-Ruiz nun zeigen, dass die eigenen Nachkommen von Buntbarschen weniger hart bestraft werden, wenn sie bei gemeinsamen Aufgaben nicht mithelfen – dass Fische also eine Art «Vetternwirtschaft» betreiben. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift iScience publiziert.

Manipulierte Helfer

Die Forschenden untersuchten das Verhalten der Buntbarsche an der Ethologischen Versuchsstation Hasli der Universität Bern. In einem ersten Schritt manipulierten sie das Verhalten der untergebenen Gruppenmitglieder derartig, dass sie sich nicht an der Eipflege des Brutpaars beteiligen konnten, sich also gewissermassen als «faul» erwiesen.

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Ein Brutpflegehelfer putzt die Eier des Brutweibchens, das im Hintergrund zu sehen ist. - Markus Zöttl

«Wir testeten, wie die Brutpaare darauf reagierten. Wie erwartet wurden die säumigen Brutpflegehelfer nun stärker attackiert», sagt Garcia-Ruiz, Erstautorin der Studie.

Im zweiten Schritt überprüften die Forschenden, ob die derart bestraften Helfer ihre Arbeitsleistung daraufhin erhöhten, und das passierte in der Tat: nur wenn das Brutpaar den säumigen Helfer physisch attackierte, erhöhte dieser seine Arbeitsleistung.

Bei gemeinsamen Interessen erübrigt sich soziale Kontrolle

Die entscheidende Frage in diesem Experiment war nun, ob das Brutpaar auch von seinen eigenen Nachkommen verlangen würde, sich an der benötigten Eipflege zu beteiligen. Würden sie genauso hart eingreifen, wenn die erwünschte Beteiligung an der Arbeit ausbleibt?

«Die Theorie sagt voraus, dass Verwandtschaft zwischen Sozialpartnern dafür sorgt, dass ihre Fitnessinteressen weitgehend übereinstimmen, die Ausführung kooperativer Tätigkeiten also im eigenen Interesse aller Beteiligten liegt», erklärt Michael Taborsky, Leiter der Studie. «Damit wird soziale Kontrolle weniger wichtig, vorübergehende Untätigkeit muss also nicht so stark bestraft werden.»

Tatsächlich fiel die Bestrafung durch das Brutpaar bei verwandten Brutpflegehelfern viel weniger heftig aus. «Damit wurde erstmals das Zusammenspiel von sozialer Kontrolle und geteilten Interessen in einem Sozialsystem experimentell belegt», sagt Garcia-Ruiz. «Dieses allgemeine Prinzip spielt höchstwahrscheinlich in vielen tierischen Gesellschaften eine wichtige Rolle, bis hinauf zum Menschen.»

In der psychologischen Forschung werden solche Zusammenhänge bereits untersucht. «Um die evolutive Basis dieses Zusammenspiels zwischen sozialer Kontrolle und Verwandtschaft aufklären zu können, werden nun aber weitere Studien an Gesellschaften hochsozialer Tierarten benötigt», sagt Taborsky abschliessend.

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