Uni Bern berichtet über John F. Kennedys «geheimes Tagebuch»

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Der Herausgeber des Tagebuchs von John F. Kennedy «Das geheime Tagebuch» ist Prof. Oliver Lubrich vom Institut für Germanistik der Universität Bern.

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Die Uni Bern. (Archivbild) - Keystone

John F. Kennedy führte während einer Reise durch Europa im Sommer 1937 ein Tagebuch, das nun erstmals zusammen mit dem Journal seines Freundes und Begleiters Lem Billings herausgegeben wird.

Die Zeugnisse zeigen, wie zwei Studenten aus Amerika den Faschismus erlebten. Herausgeber des Tagebuchs ist Prof. Oliver Lubrich vom Institut für Germanistik der Universität Bern.

Unter dem Titel «Das geheime Tagebuch» erscheinen Aufzeichnungen des jungen John F. Kennedy zum ersten Mal zusammen mit denen seines Freundes Lem Billings, mit dem er 1937 Europa bereiste.

Der Berner Literaturwissenschaftler Oliver Lubrich hat die beiden Handschriften, die an der Kennedy Presidential Library in Boston aufbewahrt werden, transkribiert und in deutscher Übersetzung herausgebracht.

Der Band enthält Faksimiles aus beiden Dokumenten sowie Fotos, die Kennedy und Billings unterwegs aufgenommen haben. Das «doppelte Tagebuch», so der Verleger Albert C. Eibl vom Verlag Das vergessene Buch in Wien, soll anschliessend auch im Original veröffentlicht werden.

Tourismus und Totalitarismus

Die Manuskripte von Kennedy und Billings verbinden Privates und Politisches. Zwei Freunde unternehmen eine Ferienreise. Sie gehen an den Strand und in Bars, aber auch in Museen und Kathedralen.

In Frankreich besuchen sie die Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges. An der spanischen Grenze hören sie die grauenvollen Geschichten der Flüchtlinge des Bürgerkrieges. Sie erleben das faschistische Italien und das nationalsozialistische Deutschland.

«Hitler scheint hier sehr beliebt zu sein»

«Die Aufzeichnungen sind besonders aufschlussreich», sagt Herausgeber Oliver Lubrich, «gerade weil sie ins Unreine geschrieben und nicht mehr nachträglich bearbeitet wurden. Einsicht und Irrtum gehen miteinander einher.»

So lässt sich Kennedy vom oberflächlichen Eindruck öffentlicher Ordnung in Italien noch täuschen, wenn er glaubt: «Der Faschismus scheint ihnen gut zu tun.» In Deutschland bemerkt er: «Hitler scheint hier so beliebt zu sein wie Mussolini in Italien, wenngleich Propaganda wohl seine stärkste Waffe ist.»

Und Billings ergänzt: «Man kommt nicht umhin, einen Diktator zu mögen, wenn man in seinem Land ist, da man so viel Gutes über ihn hört und nichts Schlechtes.» Beobachtungen zu charismatischer Führung und zum Einsatz von Medien werden für den späteren Politiker Kennedy nach dem Krieg wichtig werden.

«Ich bin ein Berliner»

Nach 1937 reiste John F. Kennedy noch zwei weitere Male nach Nazi-Deutschland, wie Oliver Lubrich in seinem Nachwort berichtet: 1939, kurz vor Kriegsbeginn, als sein Vater in London Botschafter war, und 1945, kurz nach Kriegsende, als Reporter während der Potsdamer Konferenz.

Dabei beschäftigten ihn bereits Fragen, die seine Präsidentschaft bestimmen sollten: Wie lässt sich ein Krieg abwenden? Und wie kann der Westen einem totalitären System begegnen?

Von allen drei Aufenthalten sprach Kennedy dennoch in der Öffentlichkeit nicht, als er 1963 zum letzten Mal Deutschland besuchte und einer begeisterten Menge in ihrer eigenen Sprache zurief: «Ich bin ein Berliner.» Auch dieser Satz ist, wie seine Aufzeichnungen nun nahelegen, vor dem Hintergrund seiner frühen Reisen zu verstehen, durch die er das Land unmittelbar und abgründig kennenlernte.

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