Freiburg hat eine Studie zu Verschwörungstheorien durchgeführt
Forschende der Universität Freiburg haben die bisher grösste Befragungen zur Korrelation zwischen Verschwörungsglauben und politischer Überzeugung durchgeführt.
Die Ergebnisse aus zwei internationalen Befragungen mit über 100'000 Teilnehmenden in 26 Ländern zeigen eine Korrelation zwischen Verschwörungsglauben und Identifikation mit linksextremen und mehr noch mit rechtsextremen politischen Anschauungen.
Adrian Bangerter von der Université de Neuchâtel, Sylvie Graf von der Universität Zürich und Pascal Wagner-Egger von der Universität Freiburg zeichnen für den Schweizer Teil der Studie verantwortlich.
Politische Meinungen und die Neigung, an Verschwörungstheorien zu glauben, gehen Hand in Hand. Das belegen zwei aktuelle, auf internationaler Ebene durchgeführte Befragungen.
Es sind die grösste jemals durchgeführte Befragung zur Verschwörungsmentalität
«Studienteilnehmende am äusseren Rand des politischen Spektrums glauben stärker daran, dass die Welt von geheimen, im Dunkeln agierenden Mächten gesteuert wird», schreiben die Autoren der in Nature Human Behaviour veröffentlichten Studie.
Die beiden Befragungen unter der Koordination von Roland Imhoff, Professor an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, zeigen auch, dass die Verschwörungsmentalität bei Anhänger der extremen Rechten besonders ausgeprägt ist, speziell wenn sie traditionelle, nationalistische und autoritäre Parteien wählen.
Mit rund 100'000 Teilnehmenden in 26 Ländern sind die beiden Befragungen die bisher grösste Untersuchung zum Thema Verschwörungsmentalität.
«Kontrolldeprivation» bringt Menschen zu einer Verschwörungsmentalität
Die erste Befragung lieferte einen beispiellosen Datensatz, der auf den Angaben von 33'431 Teilnehmenden aus 23 Ländern beruht. Dabei wurden auch nichteuropäische Staaten wie Island, Brasilien und Israel berücksichtigt.
Die Forschenden versuchten ausserdem herauszufinden, ob das Empfinden eines politischen Kontrollverlustes – beispielsweise, weil die bevorzugte Partei von der Regierungsbeteiligung ausgeschlossen wurde – den Zusammenhang zwischen politischer Orientierung und Verschwörungsmentalität beeinflusst.
Psychologen bezeichnen diese Erscheinung als «Kontrolldeprivation». Aufgrund ihrer Auswirkungen war dieser Befund zu erwarten.
70'882 Personen nahmen an der zweiten Befragung teil
Die zweite Erhebung mit 70'882 Teilnehmenden ergänzte die erste Befragung um weitere Daten aus 13 europäischen Ländern. Die Befragungen erfolgten mit einem standardisierten Fragebogen.
Die politische Orientierung wurde mit zwei Methoden erfasst: Zum einen wurden die Teilnehmenden aufgefordert, ihre politische Meinung auf einer Ad-hoc-Links-rechts-Skala einzuordnen und ihre Parteipräferenzen anzugeben.
Zum anderen ermittelte ein Team aus internationalen Experten die politische Positionierung dieser Parteien im Links-rechts-Spektrum.
Es gibt länderspezifische Unterschiede
Die Forschenden stellten auch Unterschiede zwischen den Ländern fest. In Mittel- und Westeuropa – Belgien, speziell Flandern, Deutschland, Frankreich, Niederlande, Österreich, Polen und Schweden – sind eher Anhänger des politisch rechten Flügels für Verschwörungstheorien empfänglich.
In süd- und osteuropäischen Ländern wie Rumänien, Spanien und Ungarn hingegen ist die Verschwörungsmentalität im Lager der politischen Linken stärker ausgeprägt. In der Schweiz ist der Glaube an Verschwörungstheorien in erster Linie am rechten Rand des politischen Spektrums zu finden.
«Verschwörungstheorien sind für Verlierer»
Im Allgemeinen ist der Glaube an Verschwörungstheorien verstärkt bei Personen zu finden, die Parteien ohne Regierungsbeteiligung nahestehen. Deren Anhänger·innen sind der Meinung, dass ihnen die politische Kontrolle entzogen wird.
Dieser Aspekt spielt besonders bei Personen des Rechtsaussen-Spektrums eine Rolle. Bei der Analyse der Ergebnisse hat sich herausgestellt, dass Personen mit niedrigem Bildungsstand eher zu einer Verschwörungsmentalität neigen.
Demzufolge bekräftigen die Ergebnisse der beiden Befragungen die Meinung des amerikanischen Universitätsprofessors Joseph Uscinski, der behauptet, dass «Verschwörungstheorien für Verlierer sind».
Ursache und Wirkung bleiben ungeklärt
Die Autoren unterstreichen jedoch, dass längst nicht geklärt ist, was Ursache und was Wirkung ist. So könnte es einfach auch sein, dass sich Wählende nach einer Wahlniederlage ihrer bevorzugten Partei eher von Verschwörungstheorien angesprochen fühlen.
Oder dass Parteien, die sich abseits der Hauptströmungen bewegen und daher nur geringe Chancen auf einen Wahlerfolg haben, eine besondere Anziehungskraft auf Menschen mit Verschwörungsmentalität ausüben.
Mit anderen Worten: Für Verschwörungstheorien empfängliche Personen neigen auch dazu, für Parteien zu stimmen, die die Wahlen verlieren.