SP-Politikerin Tanja Bauer wünscht sich Streitkultur

Gina Krückl
Gina Krückl

Köniz,

Tanja Bauer von der SP Köniz ist Grossrätin und kandidiert für den Nationalrat. In Köniz wünscht sich eine bessere diplomatische Streitkultur.

Tanja Bauer
SP-PolitikerinTanja Bauer will Probleme der Agglomerationen nun national angehen. - Matthias Luggen

Nau.ch: Sie wohnen seit fünf Jahren in Wabern. Was gefällt Ihnen an der Gemeinde?

Tanja Bauer: Ich mag das Wabräu. Jeden Freitag hat die kleine Brauerei geöffnet. Und es ist einfach ein wahnsinnig schöner Ort. Nicht wegen der Lage, sondern als Treffpunkt. Dort versammeln sich Angestellte aus den umliegenden Büros, Leute aus der Nachbarschaft, Familien.

Mir gefällt aber auch die ganze Gemeinde. Köniz ist wie ein kleiner Kanton Bern. Ich bin im Berner Oberland aufgewachsen und habe in der Stadt Bern gewohnt. In Köniz finde ich beides – Stadt und Land.

Zwar gefällt mir das sehr gut, diese Diversität bringt aber auch einiges an Schwierigkeiten mit sich. Als Agglomeration wächst Köniz sehr stark und verändert sich laufend. Das führt zu vielen Herausforderungen.

Nau.ch: Welche Herausforderungen meinen Sie hier speziell?

Tanja Bauer: In einer wachsenden Gemeinde verändern sich die Bedürfnisse. Insbesondere die Infrastruktur – wie der Verkehr, gute Dienstleistungen für die Bevölkerung, bezahlbarer Wohnraum aber auch öffentlicher Raum und Gewerberaum – müssen klug mitentwickelt werden.

Als meine Familie und ich vor fünf Jahren nach Wabern gezogen sind, begann mein ältestes Kind gerade mit der Tagesschule. Es gab viel zu viele Anmeldungen für die vorhandene Infrastruktur. Das führte für die Mitarbeitenden und für die Kinder zu vielen Probleme.

In der Politik war man sich dieser Problematik zuerst gar nicht bewusst. Die Kinder der Politikerinnen und Politiker waren oft schon älter. Und daher haben sie gar nicht mitgekriegt, dass sich die Bedürfnisse in den letzten zehn Jahren so rasant verändert haben.

Nau.ch: Glauben Sie, dass Köniz da auf einem guten Weg ist?

Tanja Bauer: Wir könnten mutiger sein. Das Parlament hat vor kurzem ein Abbaupaket in verschiedenen Bereichen des Service Publique beschlossen. So etwa bekommt die Villa Bernau nun weniger Geld. Dabei ist sie das einzige Quartierzentrum, das wir in der gesamten Gemeinde Köniz haben.

Für die Villa Bernau musste die Bevölkerung in den 80ern kämpfen. Und mit dem Abbau geht man nun wieder rückwärts. Das finde ich den falschen Ansatz. Meiner Meinung nach braucht es in jedem Quartier ein Quartierzentrum, ein Treffpunkt oder zumindest Räume für die Bevölkerung.

Was ich in Köniz zudem speziell finde, ist, dass man zwar durch die vielen Veränderungen stark unter Druck steht. Die verschiedenen Parteien vermeiden aber Streitgespräche. Gibt es bei einem neuen Projekt verschiedene Meinungen, versucht man schon sehr früh Konflikte zu vermeiden und einen Konsens zu finden.

Nau.ch: Sie sind also gegen Konfliktvermeidung?

Tanja Bauer: Ich finde eine diplomatische Streitkultur gerade in einer stark wachsenden Agglomerationsgemeinde mit vielen unterschiedlichen Bedürfnissen und Lebensrealitäten sehr wichtig. Insbesondere eine öffentliche.

So können verschiedene Stimmen und Lösungsansätze gehört werden. Gibt es von Anfang an eine Kompromisslösung, ist für die Bevölkerung meist nicht nachvollziehbar, wie sie zustande kam.

Die unterschiedlichen Gruppen müssen sich sicht- und hörbar vertreten fühlen. Wenn die Politik mit einer fixfertigen einvernehmlichen Lösung kommt, kann in der Bevölkerung kein Verständnis füreinander und für unterschiedliche Bedürfnisse entstehen. Darum braucht es öffentliche Debatten.

Lange gab es in Köniz das Denken: Der ländliche Teil darf Land und der städtische Teil Stadt sein. Doch das reicht in einer Agglomeration nicht mehr. Die Bedürfnisse sind zum Teil so unterschiedlich, dass es eine öffentliche Debatte braucht, damit diese Bedürfnisse auch von der anderen Seite gehört und verstanden werden. Nur so kann Köniz zusammenwachsen.

Doch für solche öffentlichen Debatten braucht es öffentliche Räume, in denen diese stattfinden können. Und diese fehlen noch.

Nau.ch: Obwohl Sie so viel Verbesserungspotenzial in Köniz sehen, kandidieren Sie für den Nationalrat?

Tanja Bauer: Es wäre wichtig, national über Agglomerationen nachzudenken. Denn rund die Hälfte der Schweizer Bevölkerung lebt in einer Agglomeration rund um Kernstädte.

Auf Bundesebene wird über viele Themen gesprochen, die für eine nachhaltige Entwicklung in den Agglomerationen wichtig sind, wie etwa Sozialversicherungen, Steuerwettbewerb, Gleichstellung, Kinderbetreuung und Verkehr.

Dabei geht es insbesondere auch um die Finanzierung all der Sachen, die ich in der Gemeinde gerne angehen würde. Bei diesen Themen müssen wir sowohl kommunal, kantonal und national ansetzen, um sie zu lösen.

Es gibt viel zu tun. Und egal, was man erreicht hat, es gibt immer noch weitere Baustellen. Ich engagiere mich nicht, weil es so schön ist. Sondern, weil es wichtig ist.

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