Die steigenden Gesundheitskosten werden immer häufiger zur Schuldenfalle. Trotzdem sind Schulden noch immer ein Tabuthema.
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Wenn die Krankenkassenprämien nicht mehr zu stemmen sind, droht die Verschuldung. Die SP Schweiz hat im Februar 2019 eine Prämien-Entlastungs-Initiative lanciert. (Archivbild) - sda - KEYSTONE/ANTHONY ANEX

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Prämien für Krankenkassen werden für einige zum Problem.
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Seit fünf Monaten bietet die Schuldenberatung der Frauenzentrale des Kantons St. Gallen niederschwellige Kurzberatungen an. «Haben Sie Fragen zu Lohnpfändung, erster Zahlungsbefehl, Betreibungsamt, Privatkonkurs, Inkassofirmen, offene Rechnungen, Prämienzahlungen oder Leistungsstopp Krankenkassen? Vereinbaren Sie hier einen Termin für die 20-minütige Kurzberatung», heisst es auf der Website der Frauenzentrale St.Gallen.

«Die Menschen hatten zwar schon im Mittelalter Schulden, darüber zu sprechen ist aber heute noch ein Tabu», sagt Katharina Fortunato von der Schuldenberatung der Frauenzentrale St. Gallen. Vor 12 Jahren wandelte der Frauendachverband die Budgetberatung, welche bereits 1966 gegründet wurde, in eine Budget- und Schuldenberatung um. «Wir kümmern uns um die Schuldenberatung in der Stadt St. Gallen, die Caritas übernimmt die restlichen Gemeinden», sagt die Beraterin.

Die Anfragen in Sachen Schulden hatten sich gehäuft. Die Ratsuchenden - Frauen und Männer aus allen Schichten - mussten Wartezeiten von rund einem Monat in Kauf nehmen. Im vergangenen August hat die Frauenzentrale deshalb die Kurzberatungen ins Leben gerufen.

Die Ratsuchenden melden sich online an. «Die kostenlosen Beratungen funktionieren schnell und direkt», sagt Katharina Fortunato. Für die «Notfallbehandlungen» hat sie einen Nachmittag pro Woche zur Verfügung. «In 20 Minuten kann ich das grösste Feuer löschen und die Ratsuchenden beschwichtigen», sagt sie.

Bei umfassenderen Problemen gibt es die Möglichkeit von längeren Beratungen. 125 Schuldenberatungen hat Fortunato in diesem Jahr durchgeführt. Um die Schulden loszuwerden, gehöre eine Budgetberatung zwingend dazu. Eigentliche Schuldensanierungen durchzuführen, sei aber zu aufwendig.

Hauptthemen der Beratungen sind Steuerschulden und die Krankenkassenprämien. Seit der Einführung des obligatorischen Krankenversicherungsgesetzes im Jahr 1996 sind die Kosten der Krankenkassenprämien um durchschnittlich 300 Prozent gestiegen.

Die Vorgaben des Bundes, dass die Krankenkassenprämie 8 Prozent des Einkommens nicht übersteigen soll, werde schon lange nicht mehr eingehalten, schreibt die Caritas St. Gallen-Appenzell in ihrem letzten Jahresbericht. Die SP fordern mit der Prämien-Entlastungs-Initiative, eine Beschränkung auf 10 Prozent des verfügbaren Einkommens pro Haushalt.

Die steigenden Gesundheitskosten werden immer mehr zum Problem. Rund 6,4 Prozent der Bevölkerung leben in einem Haushalt, der mindestens einmal die Krankenkassenprämien nicht rechtzeitig bezahlen konnte. Dies zeigten Anfang Jahr Erhebungen des Bundesamts für Statistik und der Schuldenberatung Schweiz.

Wenn Eltern die Krankenkassenprämien für ihre Kinder nicht zahlen können, häufen sich diese Schulden an. Es gibt laut Caritas Jugendliche, die sich mitten in der Ausbildung befinden und mit offenen Beträgen von mehreren tausend Franken konfrontiert würden.

Seit 2015 werden säumige Prämienzahler im Kanton St. Gallen auf einer schwarzen Liste aufgeführt. Sie erhalten nur noch die dringendsten Notfallbehandlungen und keine umfassende medizinische Versorgung mehr.

Die Caritas nennt ein Beispiel: Eine Frau, welche einen gutartigen Hirntumor hat, erhalte gegen die Schmerzen, die der Tumor verursacht, keine Medikamente mehr, weil diese keinen Notfall darstellen und nicht lebensgefährlich seien.

Die Caritas St. Gallen-Appenzell hat 2018 rund 190 Schuldenberatungen durchgeführt. In 54 Prozent der Fälle waren es Männer, die Rat suchten. Am stärksten betroffen sind junge Männer, die keine Erstausbildung haben und im Tieflohnsegment arbeiten oder geschiedene Männer, die am Existenzminimum leben.

In der Altersgruppe der 18- bis 30-Jährigen wird eine Zunahme beobachtet. Bei der Prävention müssten dringend Schritte eingeleitet werden, damit die Verschuldung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen verhindert werden könne, fordert die Caritas.

Einen grossen Anteil der Klienten in der kirchlichen Sozial- und Schuldenberatung machen sogenannte «Working Poor» aus. Das sind Menschen, welche in Teil- oder Vollzeit arbeiten und trotzdem am Existenzminimum leben. Anstellungen im Tieflohnsegment, fehlende Ausbildung, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unfall sind weitere Armuts- und Verschuldungsfaktoren.

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