St. Gallen: Streit um Toggenburger Alphütten
Die Eigentumsverhältnisse von Gebäuden auf Alpen haben im Toggenburg in jüngster Zeit für viel Unsicherheit und Diskussionen gesorgt. Der Kanton will nun zwischen den Nutzern der Alphütten und den Alpkorporationen vermitteln.
Ursprünglich verliehen die Klöster als Eigentümer der Alpen im Toggenburg die Alprechte gegen Abgaben an die Bauern. Ab dem 16. Jahrhundert wurden viele Bauern Eigentümer der Alpen. Sie schlossen sich zu Genossenschaften zusammen. Später entstanden daraus Alpkorporationen. Die Besitzverhältnisse wurden schriftlich in Urkunden oder Alpbüchern festgehalten.
Seit der Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) im Jahr 1912 gilt, dass sich das Eigentum an Grund und Boden auch auf die sich darauf befindenden Gebäude erstreckt, heisst es in einer Mitteilung des Kantons vom Donnerstag.
Über 100 Jahre nach Einführung des ZGB versuche die kantonale Verwaltung nun durchzusetzen, dass das Eigentum an den Alpgebäuden den Eigentümern des Bodens zufalle, schrieb SVP-Kantonsrat Ivan Louis in seinem im Februar eingereichten Vorstoss.
Die bewährte Praxis und die neue Verwaltungsauffassung klafften dabei auseinander. Diese Rechtsunsicherheit habe viele negative Auswirkungen; etwa seien die Eigentümer der Alpzimmer (Alpgebäude) auf Korporationsboden gehemmt, Investitionen zu tätigen.
«Zuerst haben sie uns die Alpzimmer weggenommen und jetzt nehmen sie uns auch noch das Miteigentum an der Alp weg», sagte ein Toggenburger Bauer in einem Beitrag von «TV Ostschweiz». Ein Alpwirt sprach in diversen Medien von «Enteignung». Er will sich mit juristischen Mitteln dafür wehren, dass er als Eigentümer des von ihm genutzten Alpgebäudes eingetragen wird.
Alexander Gulde, Leiter des St. Galler Amtes für Gemeinden und Bürgerrecht, will sich auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA nicht zu dem konkreten Fall äussern. «Wir stehen seit vergangenen Herbst mit verschiedenen Nutzern von Alpgebäuden in Kontakt.»
Durch eine Praxisänderung bei einzelnen Grundbuchämtern hätten sich die Rechnungsempfänger für die St. Galler Gebäudeversicherung (GVA) geändert. «Die Rechnungen gingen an die Alpkorporationen und nicht mehr an die Nutzer der Alpgebäude», erklärt Gulde.
Im Grundbuch seien die Alpkorporationen schon seit Jahrzehnten als Eigentümer eingetragen, daran habe sich nichts geändert. «Es geht jetzt darum, Ansätze zur Klärung der rechtlichen Situation aufzuzeigen.»
Damit die Diskrepanz zwischen den rechtlich verankerten Eigentumsverhältnissen und der gelebten Tradition einfach und kostengünstig bereinigt werden könne, habe der Kanton eine externe Vertrauensperson eingesetzt, heisst es in der Antwort der Regierung auf den Vorstoss von Ivan Louis.
Die Vertrauensperson soll die Alpkorporationen und die Nutzer der Alpgebäude über die Möglichkeiten informieren, wie sie ihr Verhältnis regeln können. Hierzu stünden verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, wie beispielsweise eine langfristige, vertragliche Regelung oder die Einräumung eines Baurechts.
Ivan Louis erkundigte sich in seiner Einfachen Anfrage nach den Möglichkeiten einer einfachen und kostenlosen Vergabe von Baurechten durch die Alpkorporationen. Die kantonalen Musterstatuten für Alpkorporationen würden jedoch genau diese Erteilung von Baurechten unterbinden.
Das Departement des Innern habe angesichts der aktuellen Fragestellungen die Musterstatuten Mitte Februar 2022 überarbeitet und stelle neu eine Variante zur Verfügung, welche die Vergabe von Baurechten nicht mehr auf den Einzelfall beschränkt, heisst es in der Antwort weiter.