Seit einigen Jahren bietet der Kanton Zürich ein Lernprogramm gegen häusliche Gewalt an. Eine Studie zeigt nun, dass dieses Programm mit dem Namen «Partnerschaft ohne Gewalt» durchaus Rückfälle verhindern kann. Und dies, obwohl kein Mann freiwillig mitmacht.
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Bei der telefonischen Beratungsstelle sollen Gewaltbetroffene an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr erste Auskünfte erhalten. (Symbolbild) - dpa

Für einmal muss bei einer Studie nicht auf die gendergerechte Schreibweise geachtet werden: Justizvollzug und Wiedereingliederung des Kantons Zürich wertete ausschliesslich Fälle von Männern aus, um zu überprüfen, ob das Lernprogramm gegen häusliche Gewalt wirkt. Am Dienstag wurden die Studienergebnisse an einer Medienkonferenz präsentiert.

Denn die Täter sind nach wie vor meist Männer, die Leidtragenden Frauen oder Kinder. Die Auswertung zeigt, dass die Rückfallgefahr mit dem Lernprogramm tatsächlich um mehr als 50 Prozent reduziert werden konnte.

Es gab zwar auch nach diesem Programm Fälle von verbaler Gewalt, also Drohungen und Beschimpfungen. Die Rückfälle in körperliche Gewalt sanken für die zwei Jahre nach Absolvierung aber auf null.

Das Programm «Partnerschaft ohne Gewalt» besteht aus 16 Gruppensitzungen, Hausaufgaben und drei Nachkontrollgesprächen. Wegen der Pandemie finden diese Gespräche aktuell nur virtuell statt. Vorgesehen ist aber schon, dass die Täter physisch zum Termin erscheinen und sich dort mit ihrem Verhalten auseinandersetzen.

Sie erarbeiten dabei auch einen «Notfallplan» für ihre persönlichen Risikosituationen. Diese sollen sie künftig ohne körperlichen oder verbalen Ausbruch bewältigen.

Freiwillig macht hier kein Mann mit: Die Teilnehmer waren bisher alles Täter mit Strafbefehl oder Gerichtsurteil. Diese Voraussetzung war bisher auch der Grund, weshalb die Zahl der Teilnehmer überschaubar war. Die Staatsanwaltschaften konnten im Schnitt nur rund 30 Fälle pro Jahr in die Gespräche schicken.

Seit Juli 2020 gibt es aber deutlich stärkeren Zulauf: Durch eine Gesetzesänderung auf Bundesebene können Staatsanwaltschaften die Männer nun auch schon vor einem gültigen Urteil oder Strafbefehl in dieses Angebot schicken, etwa wenn ein Fall sistiert ist.

Auch eine Desinteressenserklärung der Frau bewahrt einen Täter nicht mehr vor dem Lernprogramm. Ob die Männer motiviert sind, am Programm teilzunehmen, ist für die Behörden nicht erheblich.

Wegen der Gesetzesänderung wurden im Jahr 2020 deshalb bereits 171 Täter zum Lernprogramm geschickt. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 waren es erst 52, in den Jahren zuvor manchmal sogar nur elf. Ob sich die Wirksamkeit des Programms damit verändert, wird sich in den kommenden Jahren zeigen, wenn weitere Auswertungen folgen.

Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP) will dazu genauer erfassen, wie der Kampf gegen häusliche Gewalt vorankommt. «Wir brauchen bessere Daten, als uns heute zur Verfügung stehen», sagte sie. Dies verlange auch die Istanbul-Konvention gegen häusliche Gewalt.

Der Kanton Zürich wird in den kommenden Jahren deshalb eine bessere Datenerhebung aufbauen, vom Polizeieinsatz wegen häuslicher Gewalt, über Kesb-Verfahren bis hin zum Lernprogramm und zu gesundheitlichen Folgen. Rasche Resultate verspricht sie nicht. Das werde eine Herkules-Aufgabe, an der «wir uns alle Zähne ausbeissen werden».

Im vergangenen Jahr mussten die Zürcher Polizeien 18 Mal pro Tag wegen Streit und Gewalt in den eigenen vier Wänden ausrücken. Die Corona-Krise hat die häusliche Gewalt noch verschärft. Im Jahr 2019 waren es erst 15 Einsätze pro Tag. Die Polizeien sprachen zudem 13 Prozent mehr Gewaltschutzmassnahmen aus als 2019. Dazu gehört etwa, dass gewalttätige Ehemänner aus der Wohnung weggewiesen werden.

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