Bagger als visuelles Element für berührende Familiengeschichte
«Bagger Drama» von Filmemacher Piet Baumgartner erzählt von der Sprachlosigkeit in einer Familie, von Schmerz und Verlust, aber auch von möglichen Neuanfängen.

Der Schweizer Filmemacher Piet Baumgartner hat mit «Bagger Drama» bereits zahlreiche Preise geholt. Im Vorfeld des Kinostarts in der Schweiz spricht er über Viehschauen, Existenzangst, tanzende Bagger und darüber, warum der Film keine Abrechnung mit seiner Heimat ist.
«Es ist mein bislang persönlichstes Projekt», sagt der 41-jährige Schweizer Regisseur Piet Baumgartner im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA zu seinem neuen Film. «Bagger Drama» feierte im Januar an den Solothurner Filmtagen Premiere und dies gleich am publikumsträchtigen Samstagabend in der grossen Reithalle. «Ein Ritterschlag für uns», sagt der Seeländer, der gerade aus seinem Atelierstipendium in London zurückkehrt.
«Bagger Drama» erzählt von der Sprachlosigkeit in einer Familie, von Schmerz und Verlust, aber auch von möglichen Neuanfängen. Baumgartner hat gleich bei der Weltpremiere am Filmfestival von San Sebastian Ende September letzten Jahres den Regiepreis gewonnen. Ende Januar kamen zwei weitere Preise in Saarbrücken dazu.
«Diese internationale Anerkennung ist enorm schön», sagt der Regisseur. Er habe lange gedacht, dass das eine typische Geschichte aus der Schweiz sei – hier gedreht, hier verwurzelt. «Nun erfahre ich durch die Auszeichnungen, zahlreichen Rückmeldungen und Einladungen an Festivals auf der ganzen Welt: Es ist eine universelle Familiengeschichte.»
Die Geschichte, die «Bagger Drama» erzählt, sei autofiktional, so Baumgartner. Sie basiere auf Erfahrungen und Erlebnissen in seiner eigenen Jugend und sei damit auch von seiner Familie inspiriert. «Wir haben nicht gelernt, über Gefühle, Sex, Liebe und uns zu reden», sagt er. «Einfach vorwärts, machen.» Aber natürlich habe er sich beim Drehbuch auch künstlerische Freiheiten erlaubt.
Etwas ist Baumgartner besonders wichtig: Dabei sei der Film «keine Abrechnung mit meiner Heimat, meiner Geschichte oder meinen Verwandten.» Baumgartner gibt zu verstehen, dass ihm das wichtig ist. Diese Arbeit helfe vielmehr zu verstehen. «'Bagger Drama' ist ein wenig wie eine Therapie.»
«Bagger Drama» punktet mit seinen Bildern
Im Film kommen Baggerfahrer und queere Menschen zusammen. Der Austausch unterschiedlicher Welten ist Baumgartner ein Anliegen. «Ich bin selber auch ein Stück weit in einer 'Kulturblase' gefangen. Deshalb bin ich froh um meine Freunde ausserhalb der Branche.»
Menschen interessieren ihn. Ihre Motivation, ihre Ängste, ihre Bedürfnisse, ihre Wünsche. Das zeigte sich bereits bei «The Driven Ones» (2013). In seinem Dokumentarfilm begleitete er Studierende der HSG (Universität St. Gallen). Die Hochschule war über das Porträt der «Getriebenen» nicht amüsiert.
Aufgewachsen in einem Dorf, «SVP-dominiert, keine 150 Einwohnerinnen und Einwohner», sei klar gewesen: «Du übernimmst einmal das KMU des Vaters.» Doch das wollte Piet Baumgartner nicht.
Zuerst lernte er Maschinenzeichner. «Die Erleuchtung hatte ich bei einem kleinen Fernsehsender im Berner Seeland», erinnert er sich. Viehschauen und Jassabende habe er dort filmen können – und es habe viel Raum gegeben, um auszuprobieren. Nach Stationen als Videojournalist besuchte er mit Mitte Zwanzig Filmschulen in Zürich und Warschau. Arbeiten an Theatern folgten. Sein Stück über die frühere Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf am Theater Neumarkt wurde ausgezeichnet.
Trotz Erfolgen schwingt bei ihm Existenzangst weiterhin mit. «Kulturarbeit ist schlecht bezahlt», sagt Baumgartner. «Deshalb arbeite ich wohl 120 Prozent.» Mitleid will er dafür aber nicht. Indem er mitmache, sage er ja zu den Spielregeln. «Und ich habe alle Freiheiten der Welt.»
Neben dem starken Familienteil, der das Herz des feinsinnigen und eindringlichen Films ist, punktet «Bagger Drama» mit seinen Bildern. Als das Drehbuch stand, habe er «ein visuelles Element» gesucht, um seine Geschichte zu erzählen – und es in diesen riesigen Maschinen gefunden. Ein Grund mag auch der Erfolg eines Musikvideos gewesen sein, das Baumgartner 2015 mit ebensolchen Baggern realisierte und das für viel Aufsehen sorgte.
Überhaupt scheint der Filmschaffende fasziniert von Technik. «Da wo ich herkomme, ist Technik verbunden mit dem Glauben an den Fortschritt. Manchmal hat das fast schon religiöse Züge.» Es habe die Überzeugung geherrscht, dass sich mit und dank Technik alles bewältigen und richten lasse, sogar die Folgen des Klimawandels. «Gleichzeitig hat sie etwas Poetisches. Bagger können auch tanzen.» Dies ist im Film im Ballett zu sehen, das die Bagger aufführen.
Vor dem Kinostart in der Schweiz (am 1. Mai) freut sich Baumgartner auf die Vorpremieren, auf den damit verbundenen Austausch mit den Menschen. «Das ist jeweils besonders schön», sagt er und erinnert sich an eine Begegnung in Solothurn: «Ein Mann aus einem anderen Kanton ist an die Filmtage gekommen. Er hat selber eine Baggerfirma und auch in seiner Familie gab es einen Verlust. Davon hat er mir erzählt. Das hat mich berührt.»*
*Dieser Text von Raphael Amstutz, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.