Country-Soul lebt: Yola und Mercury Rev beweisen es

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Deutschland,

The Delines machen mit einem fantastischen Album Werbung für das traditionsreiche Genre Country-Soul. Eine britische Sängerin und eine US-Kultband schliessen sich an - mit sehr unterschiedlichen Mitteln.

Country-Soul ist Yolas Sprungbrett. Foto: Warner Music/Alysse Gafkjen
Country-Soul ist Yolas Sprungbrett. Foto: Warner Music/Alysse Gafkjen - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Mixtur aus (weissem) Country und (schwarzem) Soul ist eigentlich uralt - man denkt an Giganten wie Ray Charles, Dusty Springfield, Dan Penn, Solomon Burke oder Etta James.

Jetzt sind einige neue Alben auf dem Markt, die dem Genre zur Ehre gereichen. Kommt eine Country-Soul-Welle auf uns zu?

Zuerst war da das umwerfende, zu Tränen rührend schöne «The Imperial» (Decor/El Cortez) von der US-Band The Delines, mit der tollen Sängerin Amy Boone am Mikro. Es markierte gleich Anfang Januar einen ersten Höhepunkt des Musikjahres 2019. Im Februar wurden nun mit «Walk Through Fire» von Yola und «Bobbie Gentry's 'The Delta Sweete' Revisited» von Mercury Rev zwei weitere Platten veröffentlicht, die der ungewöhnlichen Stil-Melange huldigen.

YOLA liess ihr Debüt «Walk Through Fire» (Easy Eye Sound/Nonesuch/Warner) von einem Experten für bluesigen Country-Soul produzieren: dem achtmaligen Grammy-Gewinner Dan Auerbach (The Black Keys, The Arcs). Die erdigen Arrangements inklusive Pedal-Steel-Gitarre und Fiddle sind das eine - sie lassen das Album der jungen Frau aus der Nähe von Bristol zeitweise klingen, als sei es zwischen Heuballen oder in einer verrauchten Musikkneipe in den US-Südstaaten aufgenommen. Sehr authentisch, dieser Sound.

Das noch grössere Ereignis dieses Albums aber ist Yolas Stimme. Wenn diese britische Sängerin - mit bürgerlichem Namen Yolanda Quartey - etwa in «Lonely The Night» drauflos schmettert und gleichermassen an Aretha Franklin, Shirley Bassey, Mavis Staples oder die schon erwähnte Etta James erinnert, bleibt kein Auge trocken. So viel Volumen, Wärme und Leidenschaft hört man sehr selten - da hat der bewährte Trüffelsucher Auerbach (der es sich bei den Aufnahmen nicht nehmen liess, Gitarren, Dobro und Bass beizusteuern) wieder einmal ein grosse Entdeckung gemacht.

«Als ich Yola traf, war ich augenblicklich beeindruckt», sagt der Produzent. «Ihre Ausstrahlung erfüllt den ganzen Raum, ganz so wie ihre Stimme. Sie hat die Fähigkeit, sowohl aus voller Kehle als auch flüsternd leise zu singen, und das ist ein wahres Geschenk. Jeder im Studio war sofort von ihr hingerissen.»

Das kann wohl jeder nachvollziehen, der diese grossformatigen Lieder hört. A star is born - eine umso schönere Geschichte, wenn man bedenkt, dass Yola ihrem Label zufolge in Armut und mit Eltern aufwuchs, die ihr das Musikmachen untersagten. Später wurde sie demnach obdachlos, lebte in London auf der Strasse und erlitt eine stressbedingte Stimmlosigkeit. Nach künstlerischen Stationen bei Massive Attack und Phantom Limb ist sie nun auf dem Sprung - und grandioser Country-Soul ist Yolas Sprungbrett.

MERCURY REV nähern sich dem Traditionsgenre auf ganz andere Weise, aber kaum weniger auftrumpfend. Mit «Bobbie Gentry's 'The Delta Sweete' Revisited» (Bella Union/Pias) baut die ursprünglich aus dem US-Underground stammende Psychedelic-Rock-Band ein Meisterwerk des Country-Soul nach - eben «The Delta Sweete» (1968) von Bobbie Gentry, das zweite Album der kurzzeitig sehr erfolgreichen US-Songwriterin. Das Ergebnis ist Hommage und Tribute zugleich - mit eigenen Akzenten und sehr berührend.

Der von Mercury Rev (Jonathan Donahue, Grasshopper und Jesse Chandler) mit viel Hall und Bombast angereicherte Cinemascope-Sound ist typisch für diese Band, die vor rund 20 Jahren mit «Deserter's Songs» und «All Is Dream» ihren Durchbruch erlebte. Der Clou ist jedoch die eindrucksvolle Liste von Gastsängerinnen - da Mercury-Rev-Sänger Donahue trotz seiner recht androgynen Stimme die Gentry-Vocals nicht übernehmen mochte.

Also treten nacheinander mit Verve und viel Gefühl ans Mikro: Norah Jones, Hope Sandoval von Mazzy Star, Rachel Goswell von Slowdive, Carice Van Houten, Laetitia Sadier von Stereolab, Margo Price, Susanne Sundfør, Vashti Bunyan, Phoebe Bridgers, Marissa Nadler und Beth Orton. Den Abschluss übernimmt die auf faszinierende Weise verlebt klingende Lucinda Williams - dem Countryrock-Star bleibt vorbehalten, Gentrys Welthit «Ode To Billie Joe» zu krächzen (der allerdings gar nicht auf «The Delta Sweete» vertreten war, sondern auf dem Debüt von 1967).

«The Delta Sweete» habe Mercury Rev schon 1998 bei ihren «Deserter Songs» beeinflusst, heisst es. Mit der Neuauflage unter Mithilfe von zwölf erstklassigen Sängerinnen geht der Plan auf, dem gut 50 Jahre alten Country-Soul-Klassiker ein schönes Denkmal zu setzen.

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