Ein taktloser Maestro - «Die Unschuldsvermutung»
Die Klassikwelt ist eine ganz eigene. Michael Sturmingers ARD-Komödie «Die Unschuldsvermutung» spielt hinter den Kulissen des Opernbetriebs - Ulrich Tukur ist als arroganter und übergriffiger Dirigent zu sehen.
Das Wichtigste in Kürze
- Intrigen und Machtmissbrauch gibt es in vielen Betrieben - auch unter Künstlern, so wie hier am grossen Festspielhaus in Salzburg.
Im Zentrum der dennoch vergnüglichen Komödie mit dem Titel «Die Unschuldsvermutung» stehen ein berühmter Dirigent, seine Ex-Frau und eine findige Journalistin. Der österreichisch-deutsche Fernsehfilm mit Ulrich Tukur, Laura de Boer, Marie C. Friedrich und Catrin Striebeck läuft am Mittwoch (8.9., 20.15 Uhr) im Ersten.
«Wenn wir Gefahr laufen, dass jemand Gefahr läuft» - mit diesen Worten unterbricht der Bühnenmeister Schani Karas (Robert Stadlober) kurzerhand eine Orchesterprobe zu «Don Giovanni», sehr zum Unmut des Opernregisseurs David Roth (super: Simon Schwarz).
Wenig später rastet er völlig aus und muss abgeführt werden - seinen Job übernimmt Beate Zierau (grossartig: Catrin Striebeck). Sie sagt zu, obwohl sie mit ihrem früheren Mann zusammenarbeiten muss, dem Dirigenten Marius Atterson (Ulrich Tukur). Der wird zwar für seine Arbeit gefeiert, legt aber eine gnadenlose Selbstüberschätzung an den Tag - und er ist vor allem ein ziemlich taktloser Mann mit Taktstock.
Das bekommen gleich mehrere Frauen zu spüren - von der Reporterin Franziska Fink (Marie C. Friedrich) über die PR-Assistentin Ada Lubovsky (Daniela Golpashin) bis hin zur Nachwuchsdirigentin Karina Samus (Laura de Boer), die Attersons Meisterschülerin war und nun von ihm schwanger ist. Die drei Damen verbünden sich, um ihn mittels einer Falle mit versteckter Kamera endlich stellen zu können.
Auch Beate Zierau, die ähnlich eitel und machtbewusst agiert wie er, hat noch eine Rechnung mit ihm offen, da er es wagte, sie in seiner Autobiografie nicht einmal zu erwähnen.
Der Autor und Regisseur Michael Sturminger hat selbst schon bei den Salzburger Festspielen inszeniert (zuletzt den «Jedermann» mit Lars Eidinger) und konnte an Originalschauplätzen drehen.
Der ach so schmeichelnde, aber wenig schmeichelhafte Verführer Atterson hat flugs eine Missbrauchsaffäre (#MeToo) am Hals. Aber ganz unschuldig bleiben auch die drei Frauen nicht - greifen sie doch zu unlauteren Mitteln, um sich gegen den vielerorts geachteten «Frauenhelden» wirklich durchsetzen zu können.
Der aufgeregte Opernbetrieb wird trefflich auf die Schippe genommen, zu sehen sind Ränke- und Rachespielchen, Eitel- und Boshaftigkeiten, sogar eine dominante Dirigentenmutter (sehr fein: Christine Ostermayer) wird aufgeboten. Der Intendant hält launige Reden («Kunst kommt aus der Krise und kennt keine Kompromisse»), verschliesst ansonsten aber gern die Augen vor der Realität, die wiederum die energische Festspielpräsidentin fest im Blick hat.
Ulrich Tukur spielt den charmant-skrupellosen Dauerflirtenden mit einiger Grandezza - er hat es angesichts der stark aufspielenden Frauenriege im Film aber sichtlich schwer, seine Figur kommt buchstäblich mit einem blauen Auge davon. Die junge Dirigentin immerhin kann zur Premiere endlich ihr Debüt feiern.