Liam Neeson in «Hard Powder»: Neuauflage eines Kultfilms
Meterhoher, leuchtend weisser Schnee, dunkelrotes Blut, literweise verschüttet, dazu viel, viel schwarzer Humor: Liam Neeson begibt sich auf Rachefeldzug in dieser Neuverfilmung eines norwegischen Actiondramas.
Das Wichtigste in Kürze
- Gerade erst präsentierte der norwegische Filmemacher Hans Petter Moland im Wettbewerb der Berlinale seinen neuen Film «Pferde stehlen».
Auch Molands «Einer nach dem anderen» feierte einst im Rahmen des Festivals Premiere.
Das war 2014. Nun kommt die schwarzhumorige, oft gelobte Satire noch einmal in die Kinos, diesmal als Neuauflage und als US-Produktion. Regisseur Moland hat es sich nicht nehmen lassen, auch diese Neuauflage zu inszenieren. In dieser Version «Hard Powder» aber ist es nicht Stellan Skarsgård (wie noch im norwegischen Original), sondern «Schindlers Liste»-Star Liam Neeson, dessen Leben völlig und ganz plötzlich aus den Fugen gerät - er findet sich in einem Sturm aus Rache, Blut, Schnee und Gewalt wieder.
Als der Sohn des wortarmen Nels Coxman, Schneeflugfahrer im Bundesstaat Colorado, von Bösewichtern wegen verschwundener Drogen ins Jenseits befördert wird, wandelt sich der Vater und Ehemann (Neeson) zu einem Racheengel eisigster Art. Ein Gangster nach dem anderen muss dran glauben, mit abgesägter Schrotflinte bringt Nels sie alle um: ob sie nun «Speedo», «Limbo» oder «Santa» heissen. Selbst vor «Viking», dem obersten Oberbösewicht (wunderbar: ein tiefstimmiger Tom Bateman als Mafioso im Massanzug, der bei seinem Sohn streng über die Einhaltung einer makrobiotischen Diät wacht), schreckt Nels nicht zurück. Im Verbrecher-Milieu sorgt sein Rachefeldzug für so viel Aufruhr, dass sich schliesslich auch eine Bande amerikanischer Ureinwohner in das blutige Gemetzel einmischt.
Höher als der Blutzoll sind in «Hard Powder» allenfalls die Schneemassen, durch die sich Nels Coxman, einem neuzeitlichen Sisyphos gleich, tagein, tagaus mit störrisch pflichtbewusster Art hindurchwälzt. Die soghafte, zudem sehr abwechslungsreiche musikalische Untermalung tut ein Übriges - flugs verliert man sich in diesem politisch inkorrekten, indes nie rassistischen, die menschliche Befindlichkeit auf durchaus schlaue Weise sezierenden Gewaltrausch. Ganz abschalten sollte man das Gehirn freilich nicht: Die amerikanischen Ureinwohner etwa porträtiert Regisseur Moland auf fürs US-Kino erfreulich unstereotype Art. Etwas schade ist aber, dass Laura Dern schon nach kürzester Zeit, gleichsam geräuschlos, von der Leinwand entschwinden muss - gehört die US-Amerikanerin doch seit Jahrzehnten zu den spannendsten, wenn auch nicht unbedingt bekanntesten Vertreterinnen ihres Fachs.
Liam Neeson (66) derweil hatte zuletzt für Unruhe gesorgt, nachdem er in einem Interview zu «Hard Powder» von Jahrzehnten zurückliegenden Rachegedanken gegenüber schwarzen Männern berichtet hatte. «Ich bin kein Rassist», beteuerte er nach diesem Geständnis im US-Fernsehen - und macht zumindest im Film «Hard Powder» seine Sache auf erwartbare Weise gut. Längst hat sich der britisch-amerikanische Darsteller ja als sichere Nummer etabliert. Als sichere Nummer, wenn es darum geht, im hochtourigen und dennoch anspruchsvollen Actionbereich Hauptrollen mit einem Charakterkopf zu besetzen: ob nun in «96 Hours», in «Unknown Identity» oder, wie im zurückliegenden Jahr, in «The Commuter». Auch für «Hard Powder» lässt sich nur schwerlich eine bessere Besetzung der Hauptfigur denken. Neeson zwar hat Starappeal, und doch ist sein Spiel stets eigensinnig, weniger gefällig als man es von manch männlichem Hollywoodkollegen kennt.
Hard Powder, USA/Norwegen/Grossbritannien/Kanada 2019, 119 Min., FSK ab 16, von Hans Petter Moland, mit Liam Neeson, Tom Bateman, Laura Dern