Symbiose zweier Kathedralen: Kölner Dom und der Hauptbahnhof

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Deutschland,

Nicht jede Kathedrale hat einen direkten Gleisanschluss, der Kölner Dom aber schon: Der vor 125 Jahren eröffnete Hauptbahnhof liegt ihm so nahe, dass man im Altarraum das Quietschen der Züge hört. Und das hat Folgen.

Ein Kathedrale mit Gleisanschluss. Foto: Oliver Berg
Ein Kathedrale mit Gleisanschluss. Foto: Oliver Berg - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Köln ist vielleicht nicht die schönste aller Städte, aber bei einer Ankunft im Zug ist das Entree unvergleichlich.

Erst geht es über den Rhein mit Aussicht auf das gesamte Stadtpanorama mit Kirchen und Kranhäusern. Und dann kommt das Beste.

Man hat das Gefühl, über die Hohenzollernbrücke geradewegs in den Kölner Dom hineinzufahren. Erst im letzten Moment macht der Zug einen Schlenker und biegt in den Hauptbahnhof ein. Eine Kathedrale mit Gleisanschluss.

Auf eben diesen spektakulären Effekt kam es den Erbauern an, als der Hauptbahnhof vor 125 Jahren, am 25. Mai 1894, eröffnet wurde. Das Deutsche Kaiserreich wollte die grössten technischen Errungenschaften des Mittelalters und der Neuzeit - den Kathedralenbau und die Eisenbahn - nebeneinanderstellen. Der Hauptbahnhof ist dabei selbst eine Kathedrale des Industriezeitalters. Vorbild war der Londoner Bahnhof St Pancras.

Dom und Hauptbahnhof liegen so nah beieinander, dass man nachts im Altarraum die Durchsagen der Deutschen Bahn und das Quietschen der haltenden Züge hören kann. Die vordersten Bahnsteige sind vom Chorraum - dem hinteren Bereich des Doms - nur wenige Meter entfernt.

Die unmittelbare Nachbarschaft von Dom und Hauptbahnhof hat manche Vorteile. Wenn man als Reisender aus der Bahnhofshalle tritt, ergibt sich ein sofortiger Oha-Effekt - jeden Tag tausendfach zu erleben, wenn die Ankommenden an der gotischen Fassade hinaufblicken. Dass der Dom täglich von 30.000 Menschen besucht wird, hat natürlich auch etwas mit seiner hervorragenden Verkehrsanbindung zu tun.

Früher war es übrigens so, dass viele Pendler, die morgens im Hauptbahnhof ankamen, auf ihrem Weg in die Fussgängerzone durch das Nordportal des Doms hineingingen und durch das Westportal wieder hinaus. Damit sparten sie sich einige Meter. Aber diese «Rennstrecke» wurde 2016 dichtgemacht, indem man das Nordportal abschloss.

Ein grosser Pluspunkt ist daneben, dass sich der Reisende nicht am Rande der Innenstadt wiederfindet, sondern mitten im Zentrum. Er hat die Auswahl zwischen der Einkaufszone, der Altstadt mit ihren Kneipen und dem Rhein mit seinen Tag und Nacht dahinziehenden Schiffen.

Natürlich gibt es auch einige Nachteile. Bahnhofsviertel sind oft nicht die feinsten Gegenden - die Hinterseite des Kölner Hauptbahnhofs bildet da keine Ausnahme. Der Platz auf der Vorderseite war Schauplatz der berüchtigten Kölner Silvesternacht 2015/16 mit zahlreichen sexuellen Übergriffen auf Frauen.

Ausserdem ist der Hauptbahnhof mitschuld daran, dass der Dom so schwarz ist. Es waren - zusammen mit Kohleheizungen und Fabrikschornsteinen - die Dampflokomotiven, die ihn so schmutzig werden liessen. Denn eines ist sicher: Der Dom sah nicht immer so schwarz aus. Als er 1880 nach 600 Jahren eingeweiht wurde, war zumindest die zum Schluss gebaute Vorderseite mit den Zwillingstürmen strahlend hell.

Vor einer weiteren Gefahr hatte der Kölner Dombauverein schon im 19. Jahrhundert gewarnt: Durch die unmittelbare Nachbarschaft zum strategisch wichtigen Hauptbahnhof mit der Hohenzollernbrücke über den Rhein konnte der Dom im Kriegsfall ins Visier der Angreifer geraten. Genauso ist es gekommen. Im Zweiten Weltkrieg bekam der Dom 70 Treffer ab und wurde - ebenso wie der Bahnhof - schwer beschädigt.

Nach dem Krieg erhoben sich viele Stimmen, die dafür plädierten, den Hauptbahnhof abzureissen und an anderer Stelle neu zu bauen. Die prominenteste gehörte dem ehemaligen Oberbürgermeister Konrad Adenauer. «Sie dürfen unter keinen Umständen zulassen, dass der Hauptbahnhof an dieser Stelle bleibt!», ermahnte er die Kölner 1946.

Ausgerechnet jetzt zum 125. Jubiläum ist wieder eine neue Diskussion losgebrochen. Ausgelöst hat sie der Architekt Paul Böhm. Er will den Hauptbahnhof als Regionalbahnhof unter die Erde legen und den Fernverkehr auf die andere Rheinseite in einen neuen Fernbahnhof verlagern. Verbunden werden sollen die beiden Bahnhöfe durch einen Tunnel unter dem Rhein. Die heutige Bahnhofshalle könne dann für kulturelle Zwecke wie Ausstellungen, Theater oder Musik genutzt werden. Die bisherige Bahntrasse würde als grüner Höhenweg mit Fuss- und Radwegen mitten durch die Innenstadt geführt.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker kann der Vorstellung «viel Positives abgewinnen». Die Deutsche Bahn aber reagiert reserviert: Es gebe keine Pläne, den Kölner Hauptbahnhof unterirdisch zu verlegen, sagte eine Sprecherin. Man kann sich schon denken, warum: Stuttgart 21 wäre dagegen wohl ein Klacks.

So wird der Hauptbahnhof wohl bleiben, wo er ist - neben dem Dom. Beide gehören nun schon seit Generationen zusammen, bilden so etwas wie eine Symbiose. Natürlich ist der Dom der wichtigere von beiden, ganz klar. Obwohl das nicht alle Kölner anerkennen. Manche verwenden mitunter eine ziemlich abschätzige Bezeichnung für ihn. Sie nennen ihn: die Bahnhofskapelle.

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