Was Herbert Grönemeyers «Bochum» ausmacht
Mit dem Erfolgs-Album «4630 Bochum» gelang Herbert Grönemeyer vor vierzig Jahren der Durchbruch. Wieso er trotz grosser Gefühle nicht nach Schlager klingt.
Einer Stadt schenkte er vor vier Jahrzehnten eine unverwechselbare Hymne, einem Land eine ganze Reihe gekonnt vernuschelter Klassiker fürs kollektive Gedächtnis. Mit der Platte «4630 Bochum» gelang Herbert Grönemeyer der Durchbruch, an den so manche nicht geglaubt hatten. Mit Hits wie «Männer», «Alkohol» und «Flugzeuge im Bauch». Vier Jahrzehnte später gehört das Album zu den erfolgreichsten der deutschen Popmusikgeschichte.
Seine einstige Plattenfirma Intercord hatte Grönemeyer damals nach vier Studioalben wegen relativer Erfolglosigkeit herausgeschmissen. Auch die Verantwortlichen bei seinem neuen Label EMI in Köln mussten erst von seinen Plänen überzeugt werden. Als er dort sagte, sein nächstes Album solle «Bochum» heissen, «haben die mich angeguckt, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank», erzählte Grönemeyer vor einigen Jahren der «Westdeutschen Allgemeinen Zeitung». ««Das kauft schon in Bottrop keiner», hiess es».
«Bochum» stand 140 Wochen in den Album-Charts
Seit der Erscheinung am 11. Mai 1984, hat sich «Bochum» nach Angaben des Labels Universal mehr als drei Millionen Mal verkauft. Bis heute räumt die Platte goldene Schallplatten ab. Immer wieder ist sie in den letzten vier Jahrzehnten in die Albumcharts geklettert. Und hat sich so insgesamt 140 Wochen unter den Top 100 gehalten.
Der titelgebende Song über jene Stadt, die ihn so sehr prägte, der er aber damals bereits den Rücken gekehrt hatte, ertönt seit vielen Jahren nicht nur vor jedem Heimspiel des Fussballclubs VfL Bochum. Die Liebeserklärung an das Ungeschminkte der Bergbaustadt hat auch für ein Publikum aus dem Rest der Republik funktioniert.
«Bei den Konsumenten von aussen hat der Song weniger auf die Wahrnehmung der Stadt eingezahlt, sondern eher auf die Wahrnehmung von Grönemeyer als authentischem Künstler. Da ist einer, der weiss, wo er herkommt und der freut sich daran, dass dort nicht alles perfekt ist», sagt Musikfachmann Derek von Krogh, künstlerischer Leiter der Popakademie Baden-Württemberg.
«Männer», «Flugzeuge im Bauch» und «Alkohol» kennt fast jeder
Tatsächlich dürften es vor allem die Auskopplungen «Männer», «Flugzeuge im Bauch» und «Alkohol» gewesen sein, die die Verkaufszahlen ankurbelten. «Diese Titel kennt nahezu jeder – sie haben es ins Volksliederbuch der deutschen Popmusik geschafft», stellt Musikproduzent von Krogh fest. Der noch handgemacht klingende Deutsch-Rock war dank «grösser werden Synthesizer-Klangwelten» modern genug, um sich vom Schlager abzugrenzen.
«Die Kantigkeit im Gesang, die er als singender Theaterschauspieler mitbrachte», die Anleihen aus dem Soul, etwa wenn er am Wortende kleine Schlenker einbaue, seine Vorliebe für sperrige Begriffe und Textzeilen. All diese laut Krogh Grönemeyers Gesamtwerk prägenden Elemente seien auf der Platte bereits sichtbar. «Wer heute «Bochum» hört, sagt nicht: Das klingt wie die Mid-Eighties, der sagt: «Das klingt wie Grönemeyer».
Jubiläum wird mit Neuinterpretationen und Konzerten gefeiert
Längst ist seine Art zu Singen – gepresste Stimme, mal vernuschelte, mal hingeschleuderte Zeilen – sein Markenzeichen geworden. Heute kokettiert er gerne damit, dass sein Gesang anfangs für Kopfschütteln bei Produzenten und Hörerschaft sorgte.
Den runden Geburtstag des Albums wird der 68-jährige Musiker natürlich auch mit Konzerten feiern. Einmal steht er diesen Sommer in Dresden, zweimal in Berlin auf der Bühne. Gleich vier Konzerte gibt es dort, wo alles irgendwie anfing: in Bochum.