Céline Widmer (SP) will russische Deserteure in die Schweiz holen
Russische Deserteure und Putin-Kritiker sollen einfacher in die Schweiz einreisen dürfen, fordert eine SP-Nationalrätin. Die Visapraxis müsse revidiert werden.
Das Wichtigste in Kürze
- Seit der Teilmobilmachung in Russland sind unzählige Männer geflüchtet.
- Sie sollen auch in der Schweiz Asyl erhalten, fordert eine SP-Nationalrätin.
- Dafür müsse aber die Visapraxis geändert werden, weil sie bisher zu streng sei, sagt sie.
300'000 Reservisten der russischen Armee sollen für den Kreml in den Ukraine-Krieg geschickt werden. Das gab Wladimir Putin am 21. September bekannt. Inzwischen häufen sich Berichte über Deserteure, die in benachbarte Länder oder die Türkei geflüchtet sind.
Russische Männer, die sich der Wehrdienstpflicht entziehen, machen sich strafbar. Deswegen könnten sie mit humanitären Visen oder Asylanträgen in der Schweiz gute Chancen haben. Eigentlich.
Einreise zu schwierig, Asylgesuch unmöglich
Denn wie SP-Nationalrätin Céline Widmer kritisiert, ist die Visapraxis der Schweiz zu streng. Gegenüber Nau.ch sagt die Zürcherin, sie habe von einem Fall eines jungen, regimekritischen Russen gehört. «Ihm droht die Einberufung in den Kriegsdienst, aber sein Einreisevisa-Gesuch wurde im September abgelehnt.»
Zwar betone der Bundesrat, zuhause verfolgte Russen könnten Asyl beantragen. «Rechtsexpertinnen und -experten sagen, dass dies durchaus Aussicht auf Erfolg haben kann vor dem aktuellen Hintergrund», so Widmer. «Aber wie sollen denn die Menschen in der Schweiz ein Asylgesuch stellen, wenn sie gar nicht erst hierherkommen können?»
Das Instrument des humanitären Visums müsse «wirklich unkompliziert, grosszügig und schnell» angewendet werden. Das sei in der Vergangenheit nicht der Fall gewesen. Und auch bei den Einreisevisen brauche es eine «dringende Praxisanpassung», sagt die Politikwissenschafterin.
Zusätzlich zur Anpassung bei der Vergabe von Visen solle der Bund das Botschaftsasyl zurückbringen. Das fordert die SP schon länger; doch mit der Situation in Russland erhält die Linkspartei womöglich mehr Zuspruch.
Doch der Bundesrat zieht das humanitäre Visum vor, weil es «ein schlankeres und weniger bürokratisches Verfahren» sei als das Botschaftsasyl. «Die Botschaft in Moskau ist offen und allfällige Gesuche von russischen Staatsangehörigen werden bearbeitet», erklärte das Justizdepartement in der Fragestunde.
«Deserteuren droht in Russland bekanntlich Gewalt»
Céline Widmer hat am letzten Sessionstag eine Interpellation eingereicht. Darin fragt sie den Bundesrat, ob er bestrebt sei, die «russische Anti-Kriegsbewegung» zu unterstützen – etwa mittels «Schutzgewährung». Denn das schwäche Putin, argumentiert sie. Zusätzlich sei es die «humanitäre Verpflichtung» der Schweiz, bedrohte Menschen zu schützen.
Eigentlich sind Wehrdienstverweigerer laut Schweizer Asylgesetz keine Flüchtlinge. Aber Céline Widmer ist überzeugt, dass es im Fall der Russen so ist: «Bekanntlich sind russische Regimekritiker und Deserteure Gewalt, Verfolgung und drakonischen Strafen ausgesetzt», sagt sie.
Dabei beruft sich Widmer auch auf die Genfer Flüchtlingskonvention. Um als Flüchtling zu gelten, müsse eine «begründete Furcht vor Verfolgung» wegen – unter anderem – der politischen Überzeugung bestehen. Bei Regimekritikern dürfte das der Fall sein.