Die Individualbesteuerung dürfte zu Steuereinbussen führen
Die vom Bundesrat vorgeschlagene Individualbesteuerung könne die Erwerbstätigkeit erhöhen. Trotzdem müsste der Fiskus insgesamt mit Mindereinnahmen rechnen.
Das Wichtigste in Kürze
- In der Schweiz werden die Einkommen von Ehepaaren in der Summe besteuert.
- Dies soll jetzt geändert werden: Der Gesetzesvorschlag zur Individualbesteuerung steht.
- Doch die Rechnung geht nicht auf: Trotz mehr Erwerbstätigen dürfte es zu Ausfällen kommen.
In der Schweiz werden die Einkommen von Ehepaaren in der Summe besteuert. Dies führt dazu, dass sie häufig in höhere Einkommensklassen fallen und vergleichsweise mehr Steuern zahlen müssen als unverheiratete Paare: die klassische «Heiratsstrafe». Oder anders gesagt: Für 150'000 Franken Ehepaar-Einkommen zahlt man deutlich mehr als doppelt soviele Steuern, wie für zwei einzelne Einkommen von 75'000 Franken.
Individualbesteuerung : 1 Milliarde Verlust für Bundeskasse
Doch die «Heiratsstrafe» könnte schon bald der Vergangenheit angehören – Volk, Parlament und Bundesrat verlangen die Individualbesteuerung. Anfangs Dezember hat die Landesregierung ein konkretes Gesetzesprojekt vorgeschlagen. Das vorgeschlagene Modell würde beim Fiskus kurzfristige Einnahmeeinbussen von rund einer Milliarde Franken verursachen, grösstenteils auf der Ebene des Bundes.
Gemäss der aktuellen Finanzplanung hat der Bund derzeit freilich keinerlei Spielraum für solche Erwerbsausfälle. Auch ohne die Steuerreform müssen die jährlichen Ausgaben um annäherungsweise eine Milliarde gesenkt werden. Ansonsten müsse eine generelle Erhöhung der Steuern die Bundesfinanzen entlasten.
Bundesrat rechnet mit Erhöhung der Erwerbstätigkeit
Die Landesregierung argumentiert allerdings damit, dass der geplante Systemwechsel zur Individualbesteuerung den Beschäftigungsgrad erhöhen würde. Für viele Ehepartner lohne es sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt einfach nicht, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Die Einteilung in einer höheren Stufe der Steuerprogression mache die möglichen Mehreinnahmen gleich wieder zunichte.
Stärkere Erwerbsanreize – vor allem für Frauen – sind für viele Befürworter des Systemwechsels das Hauptargument für die Individualbesteuerung. Aus Erfahrungen in anderen Ländern wisse man, dass Zweitverdiener stark mit einer Erhöhung ihrer Arbeitspensen reagierten, rechnet der Bundesrat vor. Deshalb erwarte man, dass mit der vorgeschlagenen Reform mehr verdient, mehr versteuert und so die Ausfälle kompensiert würden.
Kritik: Rechnung geht trotzdem nicht auf
Doch gemäss Berechnungen der «NZZ» müsste der Fiskus per saldo dennoch mit Abstrichen rechnen. Bei einem Systemwechsel gehe man von 10'000 bis 47'000 zusätzlichen Vollzeitstellen aus. Mit Annahmen zu Lohnniveau und durchschnittlicher Steuerbelastung komme man so lediglich auf 150 bis 700 Millionen Franken zusätzliche Steuereinnahmen. Die Mehreinnahmen könnten die Erwerbsausfälle des Bundes also längst nicht vollständig kompensieren.
Trotzdem setzt sich der Bundesrat für diese Variante des Systemwechsels ein. Auf diese Weise könnten viele Haushaltskonstellationen steuerlich entlastet werden. Eine Reform der Familienbesteuerung wäre nur mehrheitsfähig, wenn es deutlich mehr Gewinner als Verlierer gebe, glaubt der Bundesrat. Dies wäre in der Variante, die ohne Erwerbsausfälle auskommt, nicht gegeben: Zur Kompensation müssten die Steuern insgesamt erhöht werden.