Evaluationsbericht erteilt BAG mässige Corona-Noten
Nach zwei Jahren Coronavirus kommt eine unabhängige Evaluation der behördlichen Pandemiebekämpfung zu einem kritischen Fazit. Das BAG räumt Fehler ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein unabhängiger Bericht hat die Schweizer Pandemiebekämpfung evaluiert.
- Insgesamt hätten die Behörden korrekt reagiert – doch vielerorts gibt es Baustellen.
- Das BAG räumt Fehler ein und will sich besser auf künftige Krisen vorbereiten.
Hierzulande ist das Coronavirus praktisch kein Thema mehr – mindestens für die Bundesbehörden. Doch bereits im Juni 2021 kündigte das BAG an, sein Pandemiemanagement evaluieren lassen zu wollen. Es soll geschaut werden, wo Fehler passiert sind und wo Verbesserungspotenzial liegt.
Dieser Evaluationsbericht liegt nun vor. Mehrere Fachpersonen aus Wirtschaft, Recht und Medizin haben die Eindämmungsmassnahmen des BAG bis im Sommer 2021 unter die Lupe genommen. Die zwei zentralen Fragen lauten: Wurde zeitgerecht reagiert? Und was kann künftig besser gemacht werden?
Schulschliessungen und Besuchsverbote in Altersheimen unangemessen
Die erste Frage wird mit einem «Ja, aber» beantwortet: Das BAG habe den Auftrag, die Bevölkerung zu schützen, «sehr ernst» genommen. Die Schweiz sei bei der medizinischen Versorgung erfolgreich gewesen, so die Autorinnen und Autoren. «Es mussten – soweit bekannt – wegen Covid-19 nie Patienten auf den Intensivstationen triagiert werden», schreiben sie.
Dennoch waren einige Massnahmen nicht angemessen, wie der Bericht festhält. Die strengen Regeln in Alters- und Pflegeheimen zu Beginn der Pandemie hätten bei den Bewohnenden grosses Leid verursacht. Ursache sei die «mangelnde Krisenvorbereitung bei Bund, Kantone und betroffenen Institutionen».
Ferner sei der Bund mit den Schulschliessungen einen Schritt zu weit gegangen. Die Autorenschaft hält zwar fest, dass diese im internationalen Vergleich von kürzerer Dauer gewesen seien. Doch die grosse Belastung der Familien und die möglichen «einschneidenden Folgen» seien nicht vernachlässigbar.
Kritisch betrachtet der Bericht auch die Verbote von nicht-dringlichen Eingriffen in Spitälern. Die Kantone seien sowieso verpflichtet, solche Operationen zugunsten von Notfalleingriffen zu verschieben.
Während der zweiten Welle hätten Bund und Kantone zudem nicht zeitgerecht auf «die Bedrohung» reagiert, steht in der 137-seitigen Evaluation. So kam es im Spätsommer und Frühherbst 2020 zu einer im internationalen Vergleich hohen Übersterblichkeit.
BAG muss bei Organisation hinter die Bücher
Allgemein bemängeln die Fachpersonen die Organisation auf Bundesebene: Die Behörden sollen für künftige Krisen neue Grundlagen für das Management erarbeiten. Die Autorenschaft empfiehlt zudem, die Krisenbewältigung regelmässig zu üben. Zudem soll die Gesundheitsversorgung «verbindlicher geregelt und ganzheitlicher geplant» werden.
Das BAG zeigt sich in seiner Stellungnahme zur Evaluation mit der Kritik weitestgehend einverstanden. Zahlreiche Projekte zur Verbesserung beispielsweise der Meldesysteme oder dem Datenmanagement seien bereits im Gange, heisst es. Man habe viele Lehren aus der Krise ziehen können.
In einem letzten Punkt nimmt sich die Gesundheitsbehörde vor, in Zukunft den Begriff «Gesundheit» breiter zu fassen. So, wie es auch die Weltgesundheitsorganisation WHO vorschlägt. Die psychische Gesundheit etwa sei «genauso relevant» und müsse stärker beachtet werden.