Kanton Bern will E-Voting trotz grosser Kritik vorantreiben
2019 wurden alle Systeme für E-Voting für zu unsicher befunden. Trotzdem will der Kanton Bern weitermachen. Kritiker sind erstaunt und wenig erfreut.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Berner Regierungsrat will E-Voting bald wieder einsetzen.
- Damit werden die aktuellen Erkenntnisse über Sicherheitsmängel ignoriert, sagen Kritiker.
- Das System der Post musste deshalb 2019 in allen Kantonen zurückgezogen werden.
«Der Regierungsrat will an seiner Strategie der schrittweisen Einführung von E-Voting im Kanton Bern festhalten.» So lautete die Mitteilung des Kantons Bern vor vier Tagen. Dafür schlägt der Regierungsrat dem Grossen Rat vor, das Projekt E-Voting mit der Schweizerischen Post ab 2021 weiterzuführen. «Nach zweijährigem Unterbruch soll den Auslandschweizer Stimmberechtigten im Jahr 2021 der elektronische Stimmkanal wieder angeboten werden.»
Bei dieser Meldung gehen bei Kritikern aller Couleur die Warnlichter an. «Der Entscheid des Berner Regierungsrates ist naiv und verantwortungslos», sagt Nicolas A. Rimoldi. Der Jungfreisinnige ist Kampagnenleiter bei der Volksinitiative für ein E-Voting-Moratorium.
Die Kritik am Berner Entscheid kommt indes von verschiedenen Seiten. Die Junge BDP Bern schreibt dazu etwa:
Die technischen Fehler im Quellcode des von der spanischen Firma Scytl eingekauften Systems sind derart gravierend, dass wir eine Wiedereinführung als eine Bedrohung für das Vertrauen in unsere Demokratie erachten.#generationBDP @eVoteMoratorium
— Junge BDP Kanton Bern (@JBDP_BE) October 31, 2019
Auch GLP-Netzpolitiker Felix Huber versteht nicht, wie der Kanton Bern mit der Post in einem Jahr ein sicheres E-Voting hinbekommen will. Denn: «Die Hackerin Sarah Jamie Lewis (die die Sicherheitslücken im E-Voting der Post gefunden hat) meinte, es brauche Anstrengungen einer Mondlandung, um ein sicheres E-Voting hinzukriegen.»
Und auch Ex-SP-Nationalrat Jean Christophe Schwaab macht auf die eklatanten Sicherheitslücken sowie die enormen Kosten aufmerksam.
Kanton Bern will Digitalisierung vorantreiben
Auf Nachfrage erklärt Vizestaatsschreiberin Mirjam Tschumi, dass der Berner Regierungsrat «die Chancen der digitalen Transformation nutzen und den Übergang ins digitale Zeitalter mitgestalten» will. Die Post sei als einziger Anbieter der Partner der Wahl.
Die Post konzentriere sich zurzeit «auf die Entwicklung eines neuen E-Voting-Systems mit zusätzlichen Sicherheitsmechanismen», so Tschumi. Erst wenn das neue E-Voting-System die notwendigen Tests erfolgreich bestanden hat, wird der Kanton Bern den Auslandschweizern diesen elektronischen Kanal wieder anbieten.
«Es ist eine falsche Behauptung, die Post konzentriere sich auf ein ‹neues› System», widerspricht jedoch Rimoldi. «Es ist dasselbe System, versehen mit unwesentlichen Updates, mit welchem jahrelang unbemerkt Abstimmungen hätten manipuliert werden können.»
Gravierende Mängel im E-Voting der Post entdeckt
In der Tat war das E-Voting-System der Post – eine Software, die von der spanischen Firma Scytl programmiert wurde – jahrelang in verschiedenen Kantonen im Einsatz. Bei einem öffentlichen Test im Februar fanden Hacker verschiedene gravierende Sicherheitsmängel. Die Bundeskanzlei verbot in der Folge das System bei Abstimmungen und Wahlen.
Rimoldi und seine Mitstreiter vom E-Voting-Moratorium waren ob des Entscheid der Berner Regierung denn auch ziemlich erstaunt. «Dass der Berner Regierungsrat weiter auf das System von Scytl setzen will, beweist, dass er beim E-Voting nicht auf dem neusten Stand ist.»
Experten seien sich einig, dass die Technologie noch nicht bereit sei – der Berner Regierungsrat setze daher nicht auf die «Chancen der Digitalisierung», sondern im Gegenteil auf das grösstmögliche Risiko. «Er versteht nicht, was er tut.»
E-Voting zur Zeit nicht sicher
Für Rimoldi und Co. ist deshalb klar: «Das uneinsichtige Handeln des Berner Regierungsrates zeigt beispielhaft, dass ein Moratorium zum E-Voting dringend notwendig ist.» Die Intianten schreiben deshalb einen Brief an alle Berner Grossräte. Darin informieren sie diese darüber, «warum das Scytl-System auf keinen Fall verwendet werden darf».
Der Regierungsrat höre nicht auf die Fachleute und habe sich ganz offensichtlich nicht informiert. «Er nimmt die öffentliche Kritik der letzten Monate offenbar nicht ernst und will nicht einsehen, dass dieses E-Voting-System nicht sicher ist.»