Knappe Antibiotika: Jetzt sollen Ärzte auf Anwendung verzichten

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

Die Versorgungsengpässe bei Medikamenten haben Folgen: Ärzten wird jetzt geraten, möglichst ohne Antibiotika auszukommen.

Antibiotika Inselspital Neurochirurgie
Antibiotika und andere Medikamente in einem Schrank der Universitätsklinik für Neurochirurgie am Inselspital Bern, am 21. November 2018. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Versorgungsengpässe bei Antibiotika haben sich weiter verschärft.
  • Nun schlagen die Infektiologen Alarm.
  • Sie bitten alle Ärzte, möglichst auf Antibiotika zu verzichten.

Antibiotika sind Segen und Fluch zugleich: Sie töten Bakterien ab, wenn man sie verwendet. Verwendet man sie zu oft, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Bakterien Resistenzen entwickeln. Multiresistente Keime sind der Alptraum der Infektiologen, gehören aber in Spitälern bereits zum Alltag.

Macht Ihnen der Medikamenten-Engpass Sorgen?

Auf noch mehr dieser kaum zu behandelnden Bakterienstämme würde man gerne verzichten. Doch genau solches droht, ironischerweise gerade wegen des aktuell akuten Mangels an diversen Antibiotika. Nun schlägt die Schweizerische Gesellschaft für Infektiologie (SSI) Alarm.

«Dringlich»: Bitte Antibiotika möglichst nicht verwenden

In einem Brief an alle Ärztinnen und Ärzte warnt die SSI mit deutlichen Worten. Wegen des weltweiten Mangels und den hohen Infektionszahlen sei der Markt «enorm unter Druck». Insbesondere bei oral verabreichten Antibiotika seien betroffen, bei vielen wurden bereits die Pflichtlager angezapft. Die SSI bittet deshalb «alle Ärztinnen und Ärzte dringlich um eine strenge Indikationsstellung», lies: sparen, sparen, sparen, ausser es geht wirklich nicht anders.

gelb Antibiotika Tabletten Pillen
Antibiotika sind starke Helfer bei vielen Krankheiten. - Pexels

Die Liste der besonders betroffenen Produkte ist eindrücklich: Über ein Dutzend zählt die SSI auf, darunter die häufig eingesetzten Amoxicillin, Cefuroxim und Ciprofloxacin. Ein Mangel an Antibiotika mit sehr spezifischem Wirkungsspektrum könne zu einem erhöhten Einsatz von Breitbandantibiotika führen.

So aber dreht sich der Teufelskreis nur noch schneller: Mehr Breitbandantibiotika gibt mehr resistente Bakterien. Zur Bekämpfung dieser braucht es wieder mehr spezifische Antibiotika, deren Lieferengpass «schuld» an der Resistenzbildung war.

Ersatz-Antibiotika: Mangelware und bei Kindern schwierig

Die SSI verweist unter anderem auf die Empfehlungen, wie man Amoxicillin – je nach Diagnose – ersetzen könnte. Die Vorschläge konnten die Infektiologen gleich aus dem Ärmel schütteln, denn der Amoxicillin-Mangel ist zwar akut, aber nicht neu. Leider sind einige der empfohlenen Alternativen mittlerweile auch bereits Mangelware.

Baby
Eine Kinderärztin legt einen Säugling auf eine Waage. - Keystone

In der Kinder- und Jugendmedizin sei Amoxicillin eine der wichtigsten antimikrobiellen Substanzen, schreibt die SSI in ihrer Empfehlung. In einigen hochsensiblen Bereichen wie der Neonatologie ist es gar unverzichtbar. Denn, warnen die pädiatrischen Infektiologen: Bei Kindern ist der Einsatz von Ersatzprodukten nicht problemlos möglich, oder nur «unter Inkaufnahme von möglicherweise relevanten Nebenwirkungen.»

Sie fordern deshalb, dass bestimmte Amoxicillin-Produkte ausschliesslich für den Gebrauch bei Säuglingen und Kindern reserviert bleiben. Umgekehrt empfehlen die Kinderärzte, dass beispielsweise bei Mittelohrentzündung Antibiotika nur restriktiv, bei Bronchitis gar nicht eingesetzt werden.

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