Paris kriegt autofreie Strassen – Vorbild für Schweizer Städte?
In Paris hat sich die Stimmbevölkerung für eine Verkehrspolitik mit weniger Autos ausgesprochen. Die Idee kommt in der Schweiz unterschiedlich gut an.

Das Wichtigste in Kürze
- Hohe SUV-Gebühren, autofreie Strassen: Die Pariser Verkehrspolitik wird immer grüner.
- Linke Politiker aus Schweizer Städten loben die französische Hauptstadt deswegen.
- Auf der bürgerlichen Seite wehrt man sich gegen die Darstellung des Autos als Sündenbock.
Die Bevölkerung der Stadt Paris hat entschieden: 500 Strassen der Stadt sollen neu autofrei werden – 10'000 Parkplätze könnten wegfallen. Eine Mehrheit sprach sich in einer Bürgerbefragung für diese Verkehrspolitik aus.
Es ist nicht die erste solche Entscheidung der Pariser. Erwähnenswert ist beispielsweise die Abstimmung im Februar 2024 über höhere Parkgebühren für SUV. Seit Oktober ist diese Erhöhung in Kraft.
Frankreichs Hauptstadt fährt unter Bürgermeisterin Anne Hidalgo einen sehr grünen Kurs.
Wie blickt man in der Schweiz auf die Pariser Verkehrspolitik? Sollten Schweizer Städte die Seine-Metropole sogar als Vorbild nehmen? Nau.ch hat bei linken und bürgerlichen Politikern aus Bern und Zürich nachgefragt.
SP-Stadtrat: «In Bern machen wir schon vieles in diese Richtung»
Der Berner SP-Stadtrat Dominik Fitze zeigt sich begeistert: «Die Pariser Verkehrspolitik ist toll!» Sie stelle die Menschen mit ihren vielseitigen Bedürfnissen in den Fokus.
Anstatt sich einseitig auf Autos zu fokussieren. «Damit wird eine viel lebenswertere, grünere und freundlichere Stadt möglich.»
Paris könne «absolut» als Vorbild dienen, sagt Fitze. «Gerade in Bern machen wir schon vieles in diese Richtung!», führt er aus. Paris gehe konkrete Schritte, um die Bedürfnisse aller wahrzunehmen.

Für die SP in Bern stehen ebenfalls verschiedene «grüne» Ideen im Fokus: Fitze nennt die Begrünung von Strassen, das Aufheben von Parkplätzen oder das Sperren von Strassen als Beispiele. «Leider ist derzeit vieles mit Einsprachen blockiert, aber das wird sich in den nächsten Jahren regeln.»
Autofreie Strassen findet Fitze eine gute Idee. Sie seien «sicherer, ruhiger und können ganz anders genutzt werden».
Gleichzeitig betont der Stadtrat aber auch: Autofahrende mit berechtigten Bedürfnissen sollen weiterhin ihren Job machen können. Seien es Handwerkerinnen und Handwerker oder Blaulichtorganisationen.
Berner FDP: Auto darf nicht «Sündenbock» sein
René Lenzin, Präsident der FDP Stadt Bern, will den französischen Entscheid nicht konkret kommentieren. «Zur Verkehrspolitik in Paris masse ich mir kein Urteil an. Die Pariser Stimmbevölkerung entscheidet selbst darüber, wie sie das Verkehrsregime gestalten will.»

Grundsätzlich liessen sich Paris und Bern schon nur aufgrund der Grösse ohnehin kaum vergleichen. Als Vorbild für Bern würde Paris aus der Sicht von Lenzin also nicht infrage kommen. Bereits die unterschiedlichen Voraussetzungen verunmöglichen dies.
Inhaltlich gibt es aber natürlich auch Unterschiede. Im FDP-Programm für den Verkehr, auf das Lenzin verweist, steht zwar: «Gewisse Einschränkungen und Verkehrsberuhigungen» seien für den Freisinn «kein Tabu».
Weiter heisst es jedoch: «Allerdings wenden wir uns entschieden gegen eine Politik, die einseitig nur das Auto als Sündenbock für alle Probleme hinstellt.» Im Fokus soll ein «intelligentes Nebeneinander» statt «ein Gegeneinander» stehen.
FDP Zürich: Rasch und sicher von A nach B
Ähnlich klingt es aus der Zürcher FDP. Präsident Përparim Avdili betont gegenüber Nau.ch zunächst ebenfalls, dass Paris eine andere Stadt als Zürich sei. «Paris ist eine um vielfach grössere Stadt mit einer völlig anderen städteplanerischen Struktur.»
Zürich solle erreichbar für alle Menschen der Stadt sein. Eine Stadt lebe letztlich davon, dass sich Menschen aus alle Richtungen treffen – beispielsweise für den Handel.
Das ist laut Avdili mit einer linksgrünen Verkehrspolitik gefährdet: «Die aktuelle politische Mehrheit in Zürich möchte Zürich zu einem mittelalterlichen Dorf zurückentwickeln.»

Für Avdili ist klar, dass Menschen und Waren rasch und sicher von A nach B kommen sollen. «Das muss der Treiber für eine Verkehrspolitik sein, und nicht ein einseitiger Kampf für oder gegen ein spezifisches Verkehrsmittel.»
Der motorisierte Individualverkehr könne punktuell auf gewissen Strassen reduziert werden, räumt Avdili ein. «Aber nur, wenn dafür eine adäquate Alternative geschaffen wird.»
Zürich sei eine ÖV-Stadt, hält der FDP-Präsident fest. Auf dieser Basis soll die Mobilität «im Miteinander aller Verkehrsträger und in Rücksicht auf Gewerbe und arbeitende Bevölkerung» weiterentwickelt werden.
SP-Gemeinderätin: Pariser Massnahmen sind «grosse Chance»
Auf der linken Seite freut man sich hingegen – wie die Berner Genossen – über den Entscheid der Pariser Bevölkerung.
SP-Gemeinderätin Anna Graff sagt: «Paris ergreift Massnahmen für eine stadt-, quartier- und menschenfreundlichere Gestaltung des Aussenraums. Ich beurteile dies positiv, weil damit reale Probleme wie die Klimaerhitzung und die Zunahme von Verkehrsunfällen angepackt werden.» Die Massnahmen seien «eine grosse Chance», ist für die Zürcherin klar.

Graff betont aber auch, dass es hierzulande ebenfalls bereits solche Bestrebungen gibt. «Schweizer Städte bekennen sich zu ähnlichen Zielen und haben teilweise auch schon Beschlüsse in diese Richtung.» Beispielsweise stimmt die Zürcher Bevölkerung bald ebenfalls über höhere SUV-Parkgebühren ab.
Graff hält fest: «Die Zeit der autozentrierten Stadt ist definitiv vorbei.» Gerade der Platzverbrauch von Autos sei in Städten nicht verhältnismässig.