Parlament lockert Rechtsberatungsverbot für russische Firmen
Das Parlament möchte das Verbot der Rechtsberatung für von Sanktionen betroffene russische Oligarchen und Unternehmen lockern.
Das Parlament lockert das Rechtsberatungsverbot für sanktionierte russische Oligarchen und Unternehmen. Nach dem Ständerat nahm auch der Nationalrat einen entsprechenden Vorstoss in abgeänderter Form an. Mit der Änderung soll nur eine rein beratende Tätigkeit, nicht aber die typische, anwaltschaftliche Tätigkeit zulässig sein.
Mit 110 Ja- zu 71 Nein-Stimmen bei 12 Enthaltungen folgte die grosse Kammer damit ihrer Rechtskommission (RK-N). Letztere hatte die von Ständerat Beat Rieder (Mitte/VS) eingebrachte Motion im Vorfeld zur Annahme empfohlen. Rieder ortete im Verbot der Rechtsberatung im von der Schweiz übernommenen achten EU-Sanktionspaket eine Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör.
Insgesamt teilte die Kommission die Befürchtung des Ständerats, dass das herrschende Sanktionsregime gegenüber Russland im Bereich der Rechtsberatung möglicherweise unverhältnismässig sei und gewisse Grundrechte verletzen könnte. Auch sei die Kommission der Ansicht, «dass sich Rechtsanwälte, die hier Dienstleistungen erbringen, sich einem gewissen Risiko aussetzen», sagte Berichterstatter Simone Gianini (FDP/TI).
Anders als der Ständerat unterschied die RK-N aber die typische, anwaltschaftliche Tätigkeit von der rein beratenden Tätigkeit. Nur Letztere soll zulässig sein. «Vor- oder extraprozessuale Dienstleistungen sollten im Einklang mit dem Rechtsstaat bleiben», sagte Philipp Matthias Bregy (Mitte/VS). Denn das Recht auf Beratung stehe selbst den «schlimmen Kriminellen» zur Verfügung. Treuhänderische Beratungen würden beispielsweise nicht unter diese Ausnahme fallen.
Problematisch sei zudem die unklare Abgrenzung der Rechtsberatung gegenüber der Rechtsvertretung. Es sei nicht folgerichtig, eine Beratung zu verbieten, die dazu dient, ein Gerichtsverfahren zu vermeiden oder einzuleiten, sie aber zuzulassen, wenn ein Verfahren eingeleitet ist.
Eine rot-grüne Minderheit beantragte erfolglos die Ablehnung der Motion. Sie betonte, dass sich das fragliche Verbot nicht gegen natürliche Personen richte. «Russische Bürgerinnen und Bürger können weiterhin von Schweizer Anwälten beraten werden. Sie sind vom Verbot nicht betroffen», sagte Minderheitssprecherin Tamara Funiciello (SP/BE).
Teil der verhängten Sanktionen der EU
«Eine Lockerung der Massnahmen würde unsere Glaubwürdigkeit schwächen und einen gefährlichen Präzendenzfall schaffen», warnte sie. Auch verwies die Nationalrätin auf ein entsprechendes Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), das von keiner Verletzung der Grundrechte ausgeht.
In den Augen des Europäischen Gerichtshofes ist das Verbot der Rechtsberatung gegenüber der russischen Regierung und in Russland niedergelassenen Organisationen gültig. Das war einem am 2. Oktober des laufenden Jahres veröffentlichten Urteil zu entnehmen. Weiterhin erlaubt sind demnach die rechtliche Vertretung natürlicher Personen und die Rechtsberatung in Gerichts-, Verwaltungs- oder Schiedsverfahren.
Das Verbot greife damit auch nicht in die anwaltliche Unabhängigkeit ein. Die Tätigkeit eines Anwalts könne zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit Beschränkungen unterliegen, und diese müssten durch dem Gemeinwohl dienende Ziele gerechtfertigt sein, wurde das Urteil begründet.
Belgische, französische und niederländische Anwaltsorganisationen hatten gegen das Verbot geklagt, Rechtsberatungsdienstleistungen für die russische Regierung sowie in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen zu erbringen. Das EU-Gericht wies alle drei vorgebrachten Klagen ab.
Das Rechtsberatungsverbot ist Teil der nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine verhängten Sanktionen der EU. Mit diesem Verbot sollte laut der EU-Kommission der Druck auf Russland weiter erhöht werden.
Auch Wirtschaftsminister Guy Parmelin sprach sich erfolglos gegen eine Lockerung des Sanktionsregimes aus. Er warnte im Nationalrat vor möglichen aussenpolitischen Konsequenzen mit Bezug auf die Glaubwürdigkeit der Schweiz. Zudem befürchtete er ein weiteres Aufweichen der Sanktionsmassnahmen. Eine Annahme der Motion wäre «rufschädigend» für die Schweiz, so Parmelin. Aus politischer Sicht sei eine Lockerung wegen des anhaltenden Krieges in der Ukraine nicht angebracht.