Rudolf Strahm kritisiert Referendum gegen Sozialhilfe-Detektive

Christoph Krummenacher
Christoph Krummenacher

Zürich,

Der ehemalige SP-Nationalrat Rudolf Strahm kritisiert seine Partei dafür, dass sie sich nun doch für das Referendum einsetzen. Dieses will verhindern, dass Detektive Sozialhilfebeziehende überwachen dürfen. Auch Journalisten nimmt Strahm zur Brust.

Rudolf Strahm sagt, dass ohne Kontrollen das Vertrauen in den Sozialstaat verloren gehe.
Rudolf Strahm sagt, dass ohne Kontrollen das Vertrauen in den Sozialstaat verloren gehe. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Rudolf Strahm kritisiert die linken Parteileitungen dafür, dass sie nun doch das Referendum unterstützen.
  • Die Gegner von Überwachung von Sozialhilfebeziehenden schaden dem Sozialstaat, sagt der Ex-SP-Nationalrat.
  • Sozialhilfebetrug zerstöre das Vertrauen in den Sozialstaat, schreibt Strahm im Tagesanzeiger.

Die Initianten schreiben in ihrem Argumentarium zu ihrem Referendum gegen die Sozialdetektive-Vorlage: «Es war ein politischer Coup der Versicherungskonzerne: Das Parlament knickte vor ihrem massiven Lobbying ein».

Rudolf Strahm – ehemaliger Preisüberwacher und Ex-SP-Nationalrat – dreht im «Tagesanzeiger» die Sicht um. Eine Künstlerin, ein Rechtsanwalt und ein paar Jungsozialisten hätten mobilisiert und «quasi über Nacht sind darauf die linken Parteileitungen umgekippt

Missbrauchsbekämpfung oder Verletzung der Privatsphäre?

Für den Ökonomen Strahm ist klar: «Vertrauen in den Sozialstaat schafft nur, wer auch Missbräuche bekämpft!» Genau das leiste der Zusatz im ATSG, dem «Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts».

Bei den Überwachungen gehe es nicht nur um einzelne Missbrauchsfälle, so Strahm. Auf dem Spiel steht das Vertrauen der Bürger gegenüber den Sozialwerken. Für die Gegner ein «Eigengoal», denn wer die «Missbrauchs­bekämpfung behindert, unterhöhlt ungewollt unseren Sozialstaat.»

Strahm bläst zum Angriff

In der Kolumne kritisiert Strahm die Journalisten: «Ich frage mich, ob jene Journalisten, die die Kampagne gegen das Gesetz in Gang setzten, den Gesetzestext überhaupt gelesen und studiert hatten.» Das ATSG setze der Überwachung nämlich enge Grenzen.

Aber auch gegen die Initiantin und Künstlerin Sibylle Berg schiesst Strahm: «Es ist Polemik ohne jedes Mass, diese kontrollierte Art von Missbrauchsbekämpfung mit Stasi-Methoden zu vergleichen oder als strenger als die Terroristenbekämpfung zu brandmarken!»

Auch Initiant Dimitri Rougy, der an der Uni Luzern Kulturwissenschaften studiert, bekommt von Strahm sein Fett weg: «Es herrscht in manchen Wohnquartieren und Betrieben eine verbreitete Skepsis gegen Drückeberger und jene Arbeitskollegen, die das Sozialsystem bis an die Grenze ausreizen. […] Jungpolitiker […] kennen diese Realitäten leider nicht.»

Eine Frage der Perspektive?

Ist es eine Frage der Perspektive, ob man Observationen von Sozialhilfe-Missbrauchern in Ordnung findet oder nicht? Rudolf Strahm bringt den Kern des Streits auf den Punkt: Handelt es sich beim ATSG um «ein Stasi-Schnüffelgesetz – oder ist es eine notwendige Sicherung des Sozialstaats?»

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