Reaktionen auf Abgang von EU-Chefunterhändlerin Livia Leu
Das Wichtigste in Kürze
- EU-Chefunterhändlerin Livia Leu tritt zurück.
- Die Meinungen sind gespalten.
Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (Mitte/BL) hofft vor dem Abgang von Staatssekretärin Livia Leu auf einen Abschluss der Sondierungsgespräche mit der EU. Auch sollte der Bundesrat vor dem Wechsel Leus in die Botschaft nach Berlin über das Verhandlungsmandat entschieden haben.
Sie gehe davon aus, dass Leu die Sondierungsgespräche zu Ende führt, schrieb Schneider-Schneiter am Mittwoch auf Twitter.
Damit könnte der Bundesrat vor dem Wechsel das Verhandlungsmandat für ein Rahmenabkommen mit der EU verabschieden. Die Nationalrätin ist Mitglied der Aussenpolitischen Kommission ihres Rats (APK-N).
Leu hätte so die wichtigsten Steine für die Verhandlungen aus dem Weg geschafft. Weiter schrieb Schneider-Schneiter, dass Leu als Botschafterin in Berlin das Dossier weiter begleiten könne. Immerhin sei Deutschland wichtigster Handelspartner der Schweiz in der EU.
Roger Nordmann (SP) kritisiert Rücktritt scharf
Für SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann kommt der Rücktritt zur Unzeit. «Die PR-Offensive des Aussendepartements der vergangenen Wochen, wonach Fortschritte bei den Verhandlungen erreicht worden sind, löst sich damit in Luft auf», sagte Nordmann am Mittwoch auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA.
Der Rücktritt von Leu sei ein grosser Misserfolg für das EDA. «Immer wenn man bei den Verhandlungen mit der EU nahe an einem möglichen Ergebnis ist, wird der Chefunterhändler oder die Chefunterhändlerin ausgewechselt», kritisierte Nordmann. Damit komme man nie zu einem Ergebnis.
Eine neue Unterhändlerin, ein neuer Unterhändler werde zudem wieder neues Vertrauen bei den Verhandlungspartner schaffen müssen. Ausserdem gingen wertvolle Informationen verloren.
Aussenpolitische Kommission von Rücktritt überrascht
Der Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Ständerats, Pirmin Bischof (Mitte/SO), zeigt sich vom Rücktritt und überrascht. Es handle sich um einen Karriereentscheid der Staatssekretärin.
«Der Zeitpunkt des Rücktritts ist politisch heikel», sagte Bischof. Leu habe noch eine letzte Runde von Sondierungsgesprächen mit der EU vor sich und allfällige Verhandlungen würden dann nach ihrem Wechsel stattfinden.
Für Leu persönlich sei der Zeitpunkt verständlich. Sie sei jetzt 62 Jahre alt und habe den sehr anstrengenden Job drei Jahre lang gemacht. «Ich kann mir vorstellen, dass für sie jetzt der richtige Moment für einen Karrierewechsel gekommen ist.», so Bischof.
Grünen-Präsident sieht Gesamtbundesrat in der Verantwortung
Der Präsident der Grünen Schweiz, Balthasar Glättli (NR/ZH) sieht nach dem Rücktritt von Livia Leu den Gesamtbundesrat in der Verantwortung. Der Rücktritt der Chefdiplomatin sei ein schlechtes Zeichen. Die Grünen würden den Rücktritt bedauern und sähen sich darin bestätigt, dass ihre Europa-Initiative notwendig sei.
Glättli zeigte sich auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA überrascht vom Rücktritt. Bundesrat Ignazio Cassis habe noch am Dienstagabend am Europatag betont, dass persönliche Beziehungen der Schlüssel für den Erfolg der Verhandlungen mit der EU seien. Das Vertrauen werde aber eine neue Unterhändlerin oder ein neuer Unterhändler neu aufbauen müssen.
Der Rücktritt scheine ein Entscheid von Leu zu sein. Die Chefdiplomatin habe die Arbeit nicht gescheut und wäre vermutlich im Amt geblieben, wenn sie genügend Rückendeckung vom Bundesrat gehabt hätte, so Glättli.
Für GLP kommt Leu-Rücktritt zu einem ungünstigen Zeitpunkt
Die Grünliberalen bedauern den erneuten Wechsel im EU-Dossier. Der Rücktritt der Chefunterhändlerin komme zu einem schlechten Zeitpunkt und sei ein weiteres Hindernis in den Verhandlungen mit der EU, erklärte Julie Cantalou, Co-Generalsekretärin der GLP Schweiz auf Anfrage.
FDP-Fraktionspräsident Cottier äussert Verständnis für Rücktritt
Der Zeitpunkt des Rücktritts von Staatssekretärin Livia Leu macht für FDP-Fraktionspräsident Damien Cottier Sinn, da die Sondierungsgespräche vor dem Abschluss stehen. Es sei verständlich, dass Leu nach mehreren Jahren in dieser sehr anspruchsvollen Funktion eine neue Herausforderung suche.
Die Staatssekretärin habe gute Arbeit in schwieriger Zeit geleistet, erklärte Cottier auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.