Schweizerdeutsch im Parlament? So ein Kabis!
SVP-Nationalrat Lukas Reimann will Schweizerdeutsch im Parlament erlauben. Die Idee tönt gut und ist gut gemeint. Ein Kommentar.
Das Wichtigste in Kürze
- SVP-Nationalrat Lukas Reimann fordert Mundart-Erlaubnis im Parlament.
- Das Schweizerdeutsch müsse gepflegt werden.
- Doch verhäbet diese vordergründig gute Idee?
Grüezi mitenand: SVP-Nationalrat Lukas Reimann will, dass im Parlament nebst Deutsch, Französisch, Italienisch und Rumantsch auch Schweizerdeutsch gesprochen werden kann. Er hat dazu eigens eine Motion eingereicht. Schweizerdeutsch erlebe eine «kulturelle Blüte», so auch in den sozialen Medien, den Dialekt gelte es zu pflegen.
Dialekt sticht Hochdeutsch aus
«Kulturelle Blüte», oder wie man auf gut Deutsch sagt: ein Boom. Mundart ist schon seit drei Jahrzehnten ein hipper Trend. Spätestens seit 1992 «P-27 featuring Black Tiger» auf Baseldytsch «Murder by Dialect» rappten.
So gesehen hat Lukas Reimann recht: Unsere Sprache ist unsere Kultur, sie soll stattfinden und erhalten werden. Das Problem beginnt dort, wo auch dieser Artikel beginnt. Denn ein grosser Teil der Leserschaft dürfte bei den ersten Worten innerlich zusammengezuckt sein, einen Stich verspürt haben. «Das schreibt man doch Griezi», «das heisst ‹grüessech mitenang›», oder weder noch, sondern «Tagwohl».
Und wir verstehen uns doch!
Das ist eben diese kulturelle Vielfalt, mag Reimann einwenden. Toleranz ist gefragt und verstehen tut man sich ja auch dann noch, wenn einer «Anke» statt «Butter» sagt. Auch hier hat Reimann recht, aber nur so lange nicht einer der «Tagwohlinis» so richtig loslegt. Dann geht es mit dem Verständnis nicht nur nidsi, absi, abe, appä, ache, ai und dürab, sondern zünftig embri.
Nur: In sechs Kantonen ist Mundart im Kantonsparlament erlaubt, oder gar vorgeschrieben. Inklusive im Kanton Solothurn, wo man sich nicht mal einig ist, ob der Löwenzahn nun «Weiefäcke», «Sunnewirbel» oder «Häliblueme» heisst. Doch im National- und Ständerat müssen sich nicht nur Grenchner und Romanshorner verstehen, sondern auch Kandersteger, Neuchâtelois und Luganesi.
Jedem seinen Dialekt
Reimann ist überzeugt, dass das schon klappen werde. Schliesslich seien die hausinternen Dolmetscher wohl meist Schweizer und darum des Schweizerdeutschen mächtig. Vergessen geht dabei, dass nicht alle Dolmetscher deutscher Muttersprache sind, selbst die Schweizer.
Reimann fordert auch gleiches Recht für alle: Schliesslich höre man den Romands auch an, ob sie aus dem Waadtland oder dem Jura kommen.
Wie wahr: Auch den Deutschschweizern hört man an, dass sie nicht akzentfrei Hochdeutsch sprechen. Bei Reimann hört man auch, dass er seine Jugend nicht in Wil SG verbracht hat. Französische Dialekte aber, das «Patois», sprechen in der Schweiz nur noch einzelne Dörfer. Würde es im Parlament gesprochen, wäre auch bei manchem Welschen «Gare terminus».
Sprechen Sie Chuchichäschtli?
Missverständnisse und kreative Wortprotokolle wären an der Tagesordnung. Man will ja nicht nur verstehen, sondern auch verstanden werden. Wer im Parlament meint, man sollte «esienig» doch wenn schon den «Schifere» im eigenen Auge suchen, will nicht «eine solche Steinplatte» gefordert haben.
Die Standardsprache hat ihre Berechtigung, sonst geht es einem bald wie dem oben erwähnten Black Tiger: «Die wärde mi nie verstoh.» Das hatte zwar andere als sprachliche Gründe und der Schwarze Tiger musste, wie Lukas Reimann, schüli aufpassen, nicht als Galöri dazustehen. Doch bevor mir gleiches widerfährt, gehe ich «jeweils» lieber den «Holzsplitter» im eigenen Auge suchen.