Abgeordneter mit Sexting erpresst - neuer Skandal für Premier Sunak
Ein Abgeordneter hat Nummern von Kollegen weitergegeben, weil er mit intimen Fotos erpresst wurde. Für Rishi Sunaks Konservative ist es nicht der erste Skandal.
Für Rishi Sunak muss es sich ein wenig anfühlen wie im berühmten Film «Und täglich grüsst das Murmeltier». Immer wenn der britische Premierminister eine positive Botschaft unters Volk streuen will, stiehlt ihm ein Skandal in den eigenen Reihen die Show. So auch jetzt: Der konservative Regierungschef wollte sich dafür feiern lassen, dass er den Beitragssatz zur Sozialversicherung um zwei Punkte gesenkt hat. Doch die Schlagzeilen bestimmte stattdessen sein Parteifreund William Wragg.
Der 36-Jährige hatte einem Kontakt, den er über eine Dating-App für schwule Männer kennengelernt hatte, intime Fotos von sich geschickt. Der prominente Vizevorsitzende eines wichtigen Fraktionskomitees räumte nun ein, dass er mit diesen Sexting-Bildern erpresst wurde: Aus Angst, dass das Material öffentlich würde, gab Wragg private Telefonnummern von anderen Tory-Abgeordneten weiter. Er wurde bisher nicht suspendiert.
Britische Medien fragen bereits, wie gross der Fall noch wird. Denn ausser Wragg soll ein weiterer Abgeordneter auf «honigsüsse» Nachrichten hereingefallen sein, wie die Zeitung «Times» berichtete. Auch andere Figuren aus dem Londoner Parlamentsbezirk Westminster wie politische Berater und Journalisten sollen Lock-Nachrichten erhalten haben.
Skandal kommt für Sunaks Tories zur Unzeit
Für Sunaks Tories kommt der neueste Fall einmal mehr zur Unzeit. In Umfragen liegen die Konservativen seit Langem abgeschlagen hinter der Oppositionspartei Labour. Stand jetzt dürften sie die für dieses Jahr geplante Parlamentswahl – ein genaues Datum steht bisher nicht fest – haushoch verlieren und damit etliche Abgeordnete ihre Mandate.
Vor allem aber ist der Sexting-Skandal, hinter dem manche Politiker einen ausländischen Geheimdienst vermuten, bei Weitem nicht der erste Tory-Aufreger, bei dem es um nackte Tatsachen geht. Bereits vor gut 60 Jahren brachte ein Fall, der alle Zutaten für einen James-Bond-Thriller hatte, die konservative Regierung von Premierminister Harold Macmillan zu Fall: die Profumo-Affäre.
Der verheiratete Kriegsminister John Profumo leugnete im Parlament ein Verhältnis mit der 19-jährigen Christine Keeler, die sich auch mit dem sowjetischen Marineattaché Jewgeni Iwanow einliess, der wiederum nach britischer Einschätzung ein Spion war. Im Juni 1963 musste Profumo zurücktreten, nachdem er der Lüge überführt worden war, im Oktober stürzte die Regierung Macmillan, und Labour kam an die Macht.
60 Jahre später ist noch immer alle paar Monate von «Pestminster», wie das «verpestete» Westminster abschätzig genannt wird, die Rede. Auch zwei Labour-Politiker verloren seit der vorigen Wahl 2019 wegen sexueller Belästigung ihre Sitze. Vor allem aber Sunaks Konservative taumeln seit Jahren von einem Skandal in den nächsten. Schon 1997 berichtete der US-Sender CNN über die «skandalgeplagten Tories», 20 Jahre später liess sich Premierministerin Theresa May angeblich wöchentlich über die sexuellen Indiskretionen konservativer Abgeordneter informieren. «Das Parlament ist seit Jahrhunderten ein Synonym für sexuelles Fehlverhalten», urteilte die Zeitschrift «Economist» im Juli 2022.
Immer wieder anrüchige Fälle unter Tory-Politikern
Denn in den vergangenen Jahren nahm die Zahl der anrüchigen Fälle unter Tory-Politikern noch zu. Der Ex-Abgeordnete Charlie Elphicke wurde wegen sexueller Übergriffe ebenso zu einer Haftstrafe verurteilt wie der Ex-Parlamentarier Imran Khan wegen sexuellen Missbrauchs eines 15-Jährigen.
Mehrere weitere Tories wurden aus der Fraktion ausgeschlossen: Neil Parish wurde beim Pornogucken im Sitzungssaal beobachtet, Christopher Pincher begrapschte schwer betrunken zwei Männer. Vor rund einem Jahr veröffentlichten die oppositionellen Liberaldemokraten ein «Alphabet von Tory-Filz und -Skandalen» und listeten mehrere Fälle auf.
Mittlerweile seien bessere Schutzmechanismen in Kraft und mehr Fälle würden bekannt, die früher unter den Teppich gekehrt worden wären, sagte Hannah White von der Denkfabrik Institute for Government zum Jahresende 2023 dem Portal «Politico». Doch an der Wurzel hat die Ursachen noch niemand angepackt. Eine fest verwurzelte Machthierarchie, fehlende Arbeitsrechte und lange Arbeitszeiten, extremer Stress, starker Alkoholkonsum – das Parlament verfügt über eigene Bars mit deutlich niedrigeren, weil subventionierten Getränkepreisen – sowie tiefe Parteiloyalität und die damit einhergehende Schweigepflicht gelten als einige der Gründe.
«Bei Mobbing und sexuellem Fehlverhalten geht es um Macht», sagte die Labour-Abgeordnete Charlotte Nichols zu «Politico». «Ich frage mich oft, ob Menschen, die Politik als Beruf anstreben, möglicherweise eher dazu neigen, auf eine Art und Weise zu handeln, die zu Machtmissbrauch führt.»