Die Hälfte der Genfer Exekutivmitglieder hat mit Justiz zu tun
Die Genfer Staatsanwaltschaft beschäftigt sich mit sechs der zwölf gewählten Exekutivmitglieder von Stadt und Kanton. Es dürfte sich dabei um eine einmalige Häufung handeln, die das Vertrauen des Volkes in die Politik weiter erschüttern könnte.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Präsident der Genfer Regierung, Antonio Hodgers, hat vergangene Woche diese einmalige Situation in mehreren Medien in Erinnerung gerufen.
Er sprach dabei die letzte Affäre an: Die Vorladung seines Regierungskollegen Serge Dal Busco als Auskunftsperson der Staatsanwaltschaft.
Bei dieser Anhörung, die auf den kommenden 27. September angesetzt ist und auf Begehren des Staatsrats auch früher stattfinden könnte, handelt es sich um einen Nebenschauplatz der Affäre Maudet. Der CVP-Staatsrat Dal Busco gestand vergangene Woche unter Druck, dass er von der Hotelgruppe Manotel im vergangenen Jahr 10'000 Franken erhalten hat. Die Zahlung erfolgte im Frühling zwischen den beiden Wahlgängen für die Genfer Kantonsexekutive.
Dal Busco versicherte, er habe das Geld nicht angerührt und spontan entschieden, den gesamten Betrag zurückzuzahlen. Die Rückzahlung erfolgte allerdings erst Mitte September des letzten Jahres, also nach dem Auffliegen der Affäre um den Freisinnigen Staatsrat und Fast-Bundesrat Pierre Maudet.
Gegen Maudet selber wird bekanntlich wegen möglicher Vorteilsannahme im Zusammenhang mit einer 50'000 Franken teuren Reise seiner Familie nach Abu Dhabi im November 2015 ermittelt. Diese Reise wurde vom Erbprinzen des Emirats beglichen.
Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Eine erneute Einvernahme von Maudet ist auf den kommenden Freitag angesetzt Seine Ehefrau, die am vergangenen Donnerstag vor dem Staatsanwalt als Zeugin aussagte, wollte sich gemäss Medienberichten nicht weiter dazu äussern.
Anfang Januar 2019 hatte die Staatsanwaltshaft das Verfahren wegen des Verdachts illegaler Spenden ausgeweitet. Auch Maudet soll Spendengelder von der Genfer Hotelgruppe Manotel angenommen haben.
Die Rede ist von 105'000 Franken, die Manotel an zwei verschiedene Unterstützungsfonds von Maudet überwiesen haben soll. Ausserdem soll die Hotelgruppe eine Party anlässlich des 40. Geburtstages des FDP-Regierungsrats mit 20'000 Franken gesponsert haben.
Die Affäre Maudet führte auch zu Gerüchten in der Stadt Genf. Stadtrat Gillaume Barazzone von der CVP hatte sich von einem Freund im Jahr 2017 ebenfalls nach Abu Dhabi einladen lassen. Die Staatsanwalt eröffnete in der Folge ein Strafverfahren gegen Unbekannt wegen möglicher Vorteilsannahme, stellte dieses aber inzwischen wieder ein. Die Staatsanwaltschaft kam zum Schluss, dass die Reise des Stadtrates eindeutig privater Natur gewesen sei.
Dafür sorgte eine weitere Affäre in der Exekutive der Stadt Genf im November 2018 für Schlagzeilen. Eine Überprüfung des Rechnungshofs förderte einen sehr grosszügigen Umgang mit Berufsspesen zutage. Die Staatsanwaltschaft führte in der Folge Hausdurchsuchungen in den Büros der Stadtratsmitglieder durch.
Zwei gewählte Stadtratsmitglieder, Guillaume Barazzone von der CVP und Rémy Pagani von der vereinigten Linken gerieten in Verdacht, öffentliche Gelder veruntreut zu haben.
Der 36-jährige Barazzone war laut dem Prüfungsbericht dasjenige Exekutivmitglied, das im Jahr 2017 mit 42'000 Franken am meisten Spesen verrechnet hatte. Von dieser Summe entfielen allein über 17'000 Franken auf Mobiltelefonkosten. Jeder Staatsrat verfügt im Kanton Genf ohnehin über ein Spesenforfait von 34'500 Franken, um die Kosten, die mit der Ausführung seiner Funktion verbunden sind, zu decken.
Barazzone hatte sich für sein Fehlverhalten entschuldigt und über 50'000 Franken an die Stadt zurückbezahlt. Ausserdem kündigte er an, bei den nächsten Wahlen für den Nationalrat 2019 und den Stadtrat 2020 nicht mehr anzutreten.
Zwei weitere Mitglieder des Stadtrats, Sami Kanaan (SP) und Esther Alder (Grüne), wurden als Auskunftspersonen vorgeladen. Die Einvernahmen fanden bereits im Frühling statt.
Für Staatsratspräsident Hodgers (Grüne) stellte die grosszügige Auslegung der Spesenreglemente offenbar kein Problem dar: Es sei zu keinen Exzessen bei den Ausgaben gekommen, hielt er bei der Veröffentlichung der Spesen aller Regierungsmitglieder fest. Die Staatsanwaltschaft wollte sich auf Anfrage nicht zu diesem noch laufenden Verfahren äussern.