Merkel und Macron räumen vor Europawahl erneut Differenzen ein
Gut zehn Tage vor der Europawahl haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erneut Differenzen eingeräumt.
Das Wichtigste in Kürze
- Kanzlerin: «Wir ringen miteinander».
«Gewiss, wir ringen miteinander», sagte Merkel in einem Interview mit der «Süddeutschen Zeitung» (Donnerstagsausgabe). «Es gibt Mentalitätsunterschiede zwischen uns sowie Unterschiede im Rollenverständnis.» Das persönliche Verhältnis sei davon aber unbelastet. Macron räumte «gelegentliche Verstimmungen» ein.
Merkel sagte, sie sei auch mit früheren französischen Präsidenten nicht immer einer Meinung gewesen. Trotzdem stimmten Deutschland und Frankreich «in den grossen Linien natürlich» überein und fänden stets Kompromisse.
«Wir müssen gelegentliche Verstimmungen akzeptieren», betonte Macron in einer Reaktion auf das Interview. Er wolle aber «weder eine unfruchtbare Konfrontation noch ein steriles Einverständnis» mit der Kanzlerin, sagte er in Paris. Es gehe stets um «einen Kompromiss mit Deutschland, um vorankommen zu können».
Bereits Ende April hatten Macron und Merkel Meinungsunterschiede in zentralen Fragen eingestanden. Macron sprach von «Unstimmigkeiten» mit Merkel unter anderem beim Brexit, der Klima- und Wirtschaftspolitik.
Seitdem sind erneut Differenzen zutage getreten: So hat sich Deutschland der Initiative Macrons und acht weiterer EU-Staaten für ein klimaneutrales Europa bis 2050 nicht formell angeschlossen. Vor allem deutsche Grünen-Politiker drängen Merkel zum Schulterschluss mit Macron.
Uneins sind Berlin und Paris auch bei Rüstungsexporten: Während die Bundesregierung einen Exportstopp für Saudi-Arabien und andere Länder verhängt hat, die sich am Jemen-Krieg beteiligen, liefert Frankreich weiter Waffen.
Die französische Verteidigungsministerin Florence Parly verbat sich Kritik aus dem Ausland: Ohne Deutschland direkt zu nennen, sagte sie nun in Paris, sie höre «in gewissen Hauptstädten strenge Beanstandungen der französischen Exporte». Allerdings sähen die gleichen Politiker darüber hinweg, «was Filialen oder Joint Ventures ihre nationalen Rüstungschampions tun». Der deutsche Rheinmetall-Konzern liefert laut Medienberichten über seine Filialen in Italien und Südafrika weiterhin Waffen nach Saudi-Arabien.
Merkel lobte dagegen «enorme Fortschritte» in der Verteidigungspolitik mit Frankreich. «Wir haben beschlossen, zusammen ein Kampfflugzeug und einen Panzer zu entwickeln», sagte Merkel. Das sei «ein grosses gegenseitiges Kompliment und ein Zeichen des Vertrauens». In Paris wird allerdings befürchtet, die restriktive deutsche Exportpolitik könne auch Auswirkungen auf die gemeinsamen Projekte haben.
Macron hatte Ende April zudem das «deutsche Wachstumsmodell» gerügt, das «stark von dem Ungleichgewicht in der Eurozone profitiert» habe. Es sei «das Gegenteil des Sozialmodells», das er für Europa anstrebe, betonte der 41-jährige Staatschef. Mit Blick auf den Brexit sprach er sich beim EU-Gipfel im April zudem gegen eine Verlängerung bis zum Oktober aus, während Merkel sie befürwortete.
Auf die Frage, ob sich ihr Verhältnis zu Macron in den vergangenen Monaten verschlechtert habe, antwortete Merkel: «Nein. Überhaupt nicht.» Es habe allerdings in den Beziehungen «Ungleichzeitigkeiten» gegeben.
«Als er an der Sorbonne sprach, war es kurz nach der Bundestagswahl», sagte Merkel mit Blick auf die grosse Europarede Macrons an der Pariser Universität Ende September 2017. «Dann kam die ungewöhnlich lange Zeit unserer Regierungsbildung.» Merkel wies den Vorwurf zurück, sie setze im Vergleich zu Macron weniger europapolitische Impulse, er gelte als Reformer, sie als Bremserin. «Wir finden immer eine Mitte», sagte die Kanzlerin.