Das Wichtigste in Kürze
- Die Türkei will – und könnte auch – zu den Großmächten des 21. Jahrhunderts gehören.
- Die Kurden in diesem politischen Tauziehen haben schlechte Karten.
In vielen Ländern wird heiss diskutiert, warum die USA gerade jetzt sich aus dem Syrien zurück zieht. Man muss die Politik der nahen Osten gut kennen, um das tägliche geschehen in Syrien zu verstehen. Der Hauptakteur in Syrien sind Russland und die Türkei. Der Iran sitzt zwar auch am Tisch, hat jedoch nicht grossen Einfluss, ausser die schiitische Miliz vor Ort.
Die Türkei ist viel zu wichtig für alle globalen Akteure, um sich mit ihr zu zerstreiten. Die Amerikaner konnten es sich einfach nicht leisten, die Türkei endgültig zu verlieren. Im Nahen Osten haben sie bis auf Israel sowieso keine absolut zuverlässigen Verbündeten, wo Russland seinen Einfluss immer mehr und mehr erweitert. Saudi-Arabien rückt immer näher zu Russland. Nach dem Mord am Reporter Khashoggi wurden die ohnehin doppeldeutigen Beziehungen zwischen Washington und Riad noch sensibler. Bei solchen Voraussetzungen hatte Präsident Trump einfach keine andere Wahl, als sich um die Verbesserung der Beziehungen mit Erdogan zu bemühen. Und das Thema Syrien ist in diesem Kontext das einfachste, wobei Trump jedenfalls von der Notwendigkeit des Abzugs aus diesem Land überzeugt ist. Und damit erfüllt er quasi eine der wichtigsten Forderungen Erdogans, wodurch das Thema Ausweisung Gülens in die Türkei (was Washington unter keinen Umständen tun wird) etwas entschärft werden könnte.
Die Beziehungen mit Russland haben für Erdogan eine strategische Bedeutung. Natürlich könnte er sich irgendwelche demonstrativen Schritte gegenüber den USA leisten. Sogar der S-400-Deal mit Moskau könnte theoretisch doch noch abgesagt werden. Aber generell wird sein Kurs konstant bleiben. Die Türkei will – und könnte auch – zu den Großmächten des 21. Jahrhunderts gehören. Aber ohne eine umfassende und zuverlässige strategische Partnerschaft mit Russland wäre das kaum möglich.
Die Kurden in diesem politischen Tauziehen haben schlechte Karten. Das Hauptproblem ist, dass die Kurden immer noch einen Krieg gegen die Türkei führen und nach 40 Jahren, immer noch nicht begriffen haben, dass ohne die Türkei nichts im nahen Osten passiert, wenn es die Türkei will. Bewaffnet einen eigenen Staat gründen zu wollen, wird kaum eintreffen. Ausserdem wäre ein neuer Kurdistan ein zusätzlicher Brennpunkt im Nahen Osten. Der Nahen Osten braucht kein neues Land, sondern endlich Frieden.