UN-Vollversammlung verurteilt Annexionen in der Ukraine scharf
Bei der UN-Vollversammlung wird bei der Abstimmung zu den Annexionen in der Ukraine eine historische Mehrheit erreicht. 35 Staaten enthalten sich.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Annexionen Russlands in der Ukraine werden von der UN-Vollversammlung verurteilt.
- Mit Belarus, Nordkorea, Nicaragua, Syrien stimmten mit Russland nur vier Länder dagegen.
- 35 Staaten enthielten sich, darunter China und Indien.
Mit 143 zu 5 Stimmen verurteilt die Weltgemeinschaft die völkerrechtswidrigen Annexionen Russlands in der Ukraine. Damit wird eine historische Mehrheit erreicht. Mit einer entsprechenden Resolution werden die Annexionen für nichtig erklärt. Von 193 Mitgliedern der UN-Vollversammlung enthalten sich 35 Staaten.
Gegen den Beschluss stimmen zusammen mit Russland Belarus, Nicaragua, Nordkorea und Syrien. Völkerrechtlich ist der Entscheid nicht bindend. Trotzdem wird er als starkes politisches Zeichen angesehen und legt die internationale Isolation Moskaus offen.
Die am Mittwoch verabschiedete Resolution verurteilt Russlands Annexion und erklärt sie für ungültig. Zudem wird der Kreml aufgefordert, die Einverleibung der teils besetzten Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson rückgängig zu machen. Ende September hatte Kremlchef Wladimir Putin die Annexion nach mehreren Scheinreferenden verkündet.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj feierte den verabschiedeten Beschluss als historisch: «Die Welt hat das Wort ergriffen. Der Annexionsversuch Russlands ist wertlos und wird niemals von freien Nationen anerkannt werden», schrieb er auf Twitter.
Grateful to 143 states that supported historic #UNGA resolution "Territorial integrity of Ukraine: defending the principles of the UN Charter". The world had its say - RF’s attempt at annexation is worthless & will never be recognized by free nations. 🇺🇦 will return all its lands pic.twitter.com/FupYPfZz8M
— Volodymyr Zelenskyy / Володимир Зеленський (@ZelenskyyUa) October 12, 2022
Die deutsche UN-Vertretung schrieb: «Die internationale Gemeinschaft hat sich zusammengeschlossen, um die UN-Charta zu verteidigen. Anders als Russland steht die Ukraine nicht alleine da.» Die amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield sprach von einem «monumentalen Tag für die Vereinten Nationen».
US-Aussenminister Antony Blinken bezeichnete die Abstimmung als eine «eindrückliche Erinnerung» daran, dass die überwältigende Mehrheit der Nationen an der Seite der Ukraine stehe. Sie zeige, dass die «internationale Einigkeit in dieser Frage eindeutig und die Unterstützung für die Ukraine unerschütterlich» sei.
Mächtige Staaten verzichten auf Stimme
EU-Ratschef Charles Michel schrieb bei Twitter: «Die internationale Gemeinschaft lehnt Russlands versuchte illegale Annexion in der Ukraine massiv ab.» Der Schutz von Souveränität und territorialer Integrität sei der Kern der UN-Charta.
Das Ergebnis war sogar besser als die 141 Stimmen in der Vollversammlung für eine Verurteilung des russischen Einmarsches in die Ukraine im März. Sie ist auch besser als die 100 Stimmen für eine ähnliche Resolution nach der Annexion der Krim im Jahr 2014.
Auch Brasilien, die Türkei und Saudi-Arabien stimmten für die gegenwärtige Resolution, die von der Ständigen Vertretung der Europäischen Union ausgearbeitet worden war. Mit China und Indien enthielten sich jedoch zwei mächtige Staaten, in denen etwa 2,8 Milliarden Menschen leben.
Die von Saudi-Arabien dominierten Golfstaaten und Nachbarländer votierten allesamt für die Vorlage. Zuletzt hatte Riad den Ärger Washingtons mit der Ankündigung einer Förderkürzung für Öl auf sich gezogen – dies wurde als indirekte Unterstützung für Russland gesehen. Von den früheren Sowjetrepubliken stimmte keine mit Moskau. Derweil enthielten sich mehr als ein Dutzend Staaten aus Afrika, der Iran nahm nicht an der Abstimmung teil.
Prognosen waren schlechter
Selbst Prognosen der grössten westlichen Optimisten wurden mit dem Ergebnis übertroffen. Beobachter waren vor der Abstimmung davon ausgegangen, dass bei vielen Ländern vor allem in Afrika und Lateinamerika eine gewisse Kriegsmüdigkeit sowie eine Abhängigkeit von Russland zu weniger Unterstützung für die Resolution führen könnten. Einige Staaten finden, dass der Ukraine-Krieg andere verheerende Konflikte an den Rand drängt und Fortschritte verhindert.
Doch die Verletzung internationaler Grenzen schien für viele Länder ein rotes Tuch: In der am Montag begonnenen Dringlichkeitssitzung der Vollversammlung hatten Diplomaten aus Dutzenden Ländern gewarnt, dass jedes UN-Mitgliedsland ein Eigeninteresse an einer Verurteilung Russlands haben müsste.
«Heute ist es Russland, das in die Ukraine einmarschiert. Aber morgen könnte es eine andere Nation sein, deren Territorium verletzt wird. Sie könnten es sein. Sie könnten die Nächsten sein», sagte die US-Botschafterin Thomas-Greenfield.
China warnt vor neuem Klaten Krieg
Ähnlich äusserte sich Deutschland: «Die souveräne Gleichheit und territoriale Integrität eines jeden von uns wäre der Gnade unserer Nachbarn ausgesetzt».
Die Ukraine hatte die Mitglieder zur Annahme der Resolution aufgefordert, Moskau sprach von einer «gefährlichen Polarisierung» bei den UN. China warnte am Donnerstag vor einer Blockbildung und einem neuen Kalten Krieg und mahnte Friedensverhandlungen an.
Eine ähnliche Beschlussvorlage wie die nun verabschiedete war Ende September im UN-Sicherheitsrat am Widerspruch Russlands gescheitert. Dort haben Resolutionen völkerrechtlich bindende Wirkung. Die ständigen Mitglieder Russland, China, die USA, Frankreich und Grossbritannien können mit ihren Vetos dort jedoch jede Entscheidung blockieren.