Tag der Pflege: «Mutter sein kann jede, aber professionell pflegen nicht»

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

Der 12. Mai ist Internationaler Tag der Pflege. Der Berufsverband SBK hat dieses Jahr Grund zu feiern, denn die Pflege-Initiative ist auf gutem Weg. Nau hat mit der SBK-Präsidentin Helena Zaugg über Verständnis und Missverständnisse in der Bevölkerung, die Sonderstellung des Pflegeberufs und eine Zukunft mit Pflegerobotern geredet.

Hat Grund zur Freude: SBK-Präsidentin Helena Zaugg bei der Einreichung der Pflege-Initiative im November 2017.
Hat Grund zur Freude: SBK-Präsidentin Helena Zaugg bei der Einreichung der Pflege-Initiative im November 2017. - Zvg

Das Wichtigste in Kürze

  • Der 12. Mai ist Tag der Pflege: Dieser sei nach wie vor nötig, um den Pflegefachleuten Wertschätzung entgegenzubringen.
  • Besonders stolz ist der Berufsverband SBK dieses Jahr, weil die Pflege-Initiative bereits eingereicht werden konnte.
  • SBK-Präsidentin Helena Zaugg zu Nau: «Jetzt haben die Ressourcen nur noch für ein grosses Dankeschön gereicht.»

Nau: Warum braucht es einen Tag der Pflege?
Helena Zaugg: «Es braucht ihn immer wieder, um allen Pflegenden Danke zu sagen. Der Tag geht ja zurück auf den Geburtstag von Florence Nightingale, die Begründerin der professionellen Krankenpflege im 19. Jahrhundert. Diesen Tag braucht es weiterhin, weil Pflegefachpersonen 365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag unglaubliche Arbeit leisten. Das braucht Wertschätzung, die sie sonst nicht so bekommen, mit einem Dienstplan mit unregelmässigen Arbeitszeiten, der schwierigen Vereinbarkeit von Beruf und Familie und einem nicht übermässigen Lohn.»

Was ist denn der Schwerpunkt dieses Jahr, was möchten Sie speziell rüberbringen?
«Das Motto unseres Weltverbands lautet dieses Jahr “Nurses A Voice to Lead – Health is a Human right”. Für den SBK steht dieses Jahr «Danke sagen» im Vordergrund. Danke auch für die unglaublichen Leistungen für den Berufsverband, in nur acht Monaten 120‘000 Unterschriften für die Pflege-Initiative zu sammeln. Diese hat uns gefordert – jetzt haben wir keine Ressourcen mehr gehabt, um noch eine grosse Sache zu organisieren.»

Morgen ist Muttertag, aber gerade so gut können wir ja auch den Feuerwehrleuten dankbar sein, der 24-Stunden-IT-Hotline oder den Nachbarn, die uns in den Ferien den Rasen mähen und die Katze füttern. Brauchen die nicht alle auch einen Dankes-Tag?
«Man kann ja das eine tun und das andere nicht lassen! Aber Pflegende haben nicht nur schwierigere Arbeitsbedingungen, sondern man hat auch Mühe, sie zu rekrutieren und bei Stange zu halten. Interessanterweise ist dies in denjenigen Ländern, wo die Pflege traditionell ein Männerberuf ist, weniger ein Problem. Man begibt sich zudem auch heute noch gesundheitlich in eine Risikoposition und ist auch Tätlichkeiten ausgesetzt. Das ist überall auf der Welt so.»

Trotzdem haben sie innert Kürze weit mehr als die nötigen Unterschriften für die Pflege-Initiative gesammelt. Sind Pflegende also sehr wohl überdurchschnittlich beliebt in der Bevölkerung – oder sind sie einfach sehr gut organisert?
«Pflegende müssen sich natürlich gut organisieren können! Wir haben wirklich für unsere Verhältnisse sehr viele Ressourcen investiert. Aber wenn man die Leute auf der Strasse trifft, erfährt man einerseits paradoxe Bewunderung: «Jesses, ich könnte das nicht machen!» Andererseits haben viele persönliche Erfahrung mit Pflegenden und haben selbst gesehen, wie die Arbeitsbedingungen sind. Die Leute beginnen sofort, eigene Erlebnisse zu erzählen, und die knappen Ressourcen sind für sie sofort offensichtlich.»

Pflege corona
Seit dem Applaus fürs Pflegepersonal habe sich nichts getan, sagt Liridona Dizdari. - Keystone

Gibt es umgekehrt auch Missverständnisse über die Arbeit der Pflegenden?
«Wo wir aktuell etwas darunter leiden, ist die Vorstellung, dass wenn wir genug Leute haben, es dann schon klappt. Aber weil sich das Metier dauernd weiterentwickeln wird, reicht es nicht, einfach möglichst viele Hände zu haben. Wir haben laufend medizinische Fortschritte, gerade im operativen Bereich, auch pharmakologische, die Digitialisierung, und so weiter. Wir brauchen sehr unterschiedliche Ausbildungsniveaus. Und à propos Muttertag: Mutter sein kann jede. Aber professionell pflegen nicht. Kopf, Herz und Hand braucht es, das kann man immer noch sagen, nach Pestalozzi, aber es braucht halt auch viel Fachwissen.

Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Wie geht es weiter mit dem Pflegeberuf in fünf, zehn Jahren? Bis dann ist über die Pflege-Initiative abgestimmt und bald werden die ersten Pflege-Roboter eingeführt…
«Bezogen auf die Initiative haben wir dem Bedarf entsprechend ausreichend diplomierte Pflegefachpersonen, die eigenverantwortlich arbeiten und so die Patientensicherheit gewährleisten. Wir gehen davon aus, dass man in Zukunft mehr Zeit für die Patienten hat. Es wird immer ein Berufsbild bleiben, in welchem die Pflegenden im Kontakt mit den Patienten sind. Einfach nur Büroarbeit: Das bringts nicht! Die Pflegefachperson kann so ihre Kompetenzen gar nicht mehr einbringen. Aber es gibt durch die Digitalisierung natürlich Veränderungen und die Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen verändert und verbessert die Pflegearbeit ebenfalls, auch das elektronische Patientendossier. Es sind noch viele Versprechungen da durch die Digitalisierung oder durch Pflege-Roboter, aber der konkrete Nutzen ist im Verhältnis zu den Kosten noch nicht überall geklärt.»

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