So heikel ist Corona für die Weltraumfahrt
Das Wichtigste in Kürze
- In der Missionszentrale der Esa arbeiten nur noch 30 statt sonst 900 Personen.
- Vergangenen Mittwoch wurde die Leitung der Cheops-Mission in Schweizer Händer übergeben.
- Der gesamte Missionsbetrieb findet derzeit komplett im Homeoffice statt.
Kein Bereich bleibt von der Corona-Krise verschont: Selbst die Raumfahrtagenturen kämpfen mit grossen Schwierigkeiten. Die Betreuung der Missionen musste drastisch reduziert werden. Aufgrund der hochsensiblen Befehle für die Missionen fällt der Branche der Umstieg ins Homeoffice besonders schwer.
Nau.ch hat sich einen Überblick verschafft – und bei Chris Broeg, Mission Project Manager bei Cheops, nachgefragt. Die Cheops-Mission, welche von der Schweiz aus geleitet wird, befindet sich in der Anfangsphase.
Esa nur noch mit Notbetrieb
Nachdem es bei der Europäischen Raumfahrtagentur Esa einen bestätigten COVID-19-Fall gegeben hatte, wurde der Betrieb in der Missionszentrale in Darmstadt drastisch eingeschränkt. Inzwischen arbeiten nur noch etwa 30 der ursprünglich über 900 Mitarbeiter in der Zentrale, von der aus die Raumfahrtmissionen gesteuert werden.
Das hat schwerwiegende Konsequenzen für die Raumfahrtmissionen. Am vergangenen Dienstag erklärte Rolf Densing, Betriebsleiter bei der Esa: «Wir werden die Aktivitäten bei einigen unserer wissenschaftlichen Missionen reduzieren. Dies trifft insbesondere die interplanetaren Raumfahrzeuge, die derzeit die meisten Mitarbeiter vor Ort erfordern.»
Die meisten der 21 aktiven Raumsonden wurden in einen sicheren Zustand versetzt, teilte die Esa mit. Dafür wurden die wissenschaftlichen Instrumente weitgehend deaktiviert – die Sonden verbleiben in stabilen Umlaufbahnen. Alle verbleibenden Mitarbeiter konzentrieren sich auf die Missionen, welche sich in einer kritischen Phase befinden.
Cheops: Missionsübergabe per Videokonferenz
«Wir sitzen hier alle zu Hause», sagt Christopher Broeg, Project Manager bei Cheops. Alles werde derzeit aus dem Homeoffice organisiert. Die Mission ist ein Novum: Erstmals befindet sich das Operationszentrum einer Esa-Mission in der Schweiz.
Mitten in der Krise wurde am vergangenen Mittwoch die Inbetriebnahme des Weltraumteleskops, welches als Satellit die Erde umkreist, abgeschlossen. Seit dem Start Ende Dezember hatten Esa und Airbus die Funktionalität der Instrumente getestet. Nun wurde das Weltraumteleskop in einer Videokonferenz für die wissenschaftliche Arbeit an die Forscher übergeben. Damit obliegt das Missionsmanagement jetzt Christopher Broeg und seinem Team von der Universität Bern.
Das Weltraumteleskop soll von nun an die Planeten anderer Sonnensysteme untersuchen. Mit dem hochpräzisen Teleskop kann die Helligkeitsschwankung eines Sterns beobachtet werden, wenn dieser zum Teil von einem seiner Planeten verdeckt wird. Daraus lassen sich Daten zur Grösse und Beschaffenheit des Exoplaneten ermitteln.
Satellitensteuerung von zu Hause
Die Koordination der gesamten Mission aus dem Homeoffice ist ein schwieriges Unterfangen: Das wissenschaftliche Operationszentrum befindet sich in Genf. Der Kontakt zum Weltraumteleskop wird wiederum vom spanischen Weltrauminstitut Inta hergestellt. Dessen Zentrale befindet sich in der Nähe von Madrid, wo die Coronavirus-Welle besonders heftig verläuft.
«Unsere spanischen Kollegen haben grossen Einsatz gezeigt», bedankt sich Broeg. Die Mitarbeiter hatten frühzeitig reagiert und sich darum bemüht, die Sonde auch aus dem Homeoffice anzusteuern zu können.
Das ist bei der Satelliten-Mission äusserst aufwändig: Da das Inta gleichzeitig militärische Projekte betreut, ist ein Betrieb im Remote Office von zu Hause aus im Normalfall undenkbar. Mittlerweile können die spanischen Mitarbeiter einen Zugriff beantragen, um mit geheimen Zugangscodes in gewissen Zeitfenstern der Sonde Befehle aus dem Homeoffice erteilen beziehungsweise deren Zustand zu überwachen. Neue Kommandos werden im Normalfall zweimal täglich wöchentlich gesendet.
Erste Erfolge, bleibende Risiken
Ziel sei es jetzt, dass Cheops trotz der erschwerten Bedingungen keine Leerlaufzeiten habe. «Wir fangen jetzt an, erste wissenschaftliche Beobachtungen zu machen», sagt Broeg. Im Moment beanspruchen Tests jedoch noch 80 Prozent der Zeit. «Mit den ersten Ergebnissen bin ich hochzufrieden, auch wenn wir noch keine neuen wissenschaftlichen Resultate gewonnen haben. Beim Nachvollziehen bereits bekannter Beobachtungen sind wir im allerersten innerhalb der angestrebten Spezifikationen geblieben.»
Broeg sieht die Zukunft der Mission trotz erschwerter Lage optimistisch: «Momentan klappt alles gut, es wird sich zeigen, wie es weitergeht.» Die Sonde befinde sich in einer stabilen Umlaufbahn, es könne nicht so viel passieren. Das grösste Risiko für den Satelliten ist Weltraumschrott: «Bei einer Kollisionswarnung müsste schon jemand in der Kommandozentrale ein Ausweichmanöver einleiten. Aber in akuten Gefahrensituationen sollten die spanischen Kollegen nach wie vor in die Zentrale können.»