Die Schweizer Kunstturner jagen trotz Ausfällen nach EM-Medaillen
Die Schweizer Kunstturner treten mit einer dezimierten Mannschaft an den Europameisterschaften in Stettin an. Nach dem Verzicht von Pablo Brägger ist auch Reck-Europameister Oliver Hegi angeschlagen.
Das Wichtigste in Kürze
- Hegi erwischte es wenige Tage vor Beginn der Titelkämpfe nahe der polnisch-deutschen Grenze.
Der Schweizer Teamleader leidet nach einem Trainingssturz nach einem Abgang am Barren an einem schmerzhaften Hämatom im Rippenbereich, weshalb er am Mittwoch in der Qualifikation den geplanten Mehrkampf nicht bestreiten wird. Im Podiumtraining am Montag trat Hegi nur am Pauschenpferd und am Reck an.
Wenige Tage zuvor hatte Pablo Brägger seinen Startverzicht erklärt. Aufgrund seiner Knieprobleme wollte Hegis Vorgänger als Reck-Europameister kein Risiko eingehen. Das Fernziel Olympische Spiele steht über allem, die Weltmeisterschaften im Oktober in Stuttgart sind für Athleten und Verband das übergeordnete Saisonziel. «Diese sind für uns extrem wichtig», so Hegi. Gut drei Monate nach dem Eidgenössischen Turnfest in Aarau werden in der schwäbischen Metropole die Olympia-Tickets für Tokio 2020 verteilt.
Auch wenn Brägger fehlt und Hegi angeschlagen ist, tritt die Männer-Equipe von Bernhard Fluck am Mittwoch mit Ambitionen zur Qualifikation an. Dank der starken Breite im Team können einzelne Ausfälle durchaus kompensiert werden, ein Top-8-Platz im Mehrkampf und eine Einzel-Medaille - so lautet das offizielle Verbandsziel - sind nach wie vor eine realistische Zielvorgabe.
Auch Christian Baumann hat mit Silber am Barren 2015 und Bronze am Pauschenpferd 2016 bereits zwei EM-Medaillen an Einzelgeräten gewonnen. Der 23-jährige Aargauer scheint seine körperlichen Probleme, aufgrund derer er 2017 und 2018 die EM verpasste, endgültig überwunden zu haben. Baumann gehört wie Brägger, Hegi, Eddy Yusof und Benjamin Gischard zum Kern der STV-Equipe, die sich in den letzten Jahren in den Top 8 der Welt etabliert hat und 2016 in Bern mit EM-Bronze mit dem Team einen historischen Medaillengewinn feierte.
Während Baumann und Yusof starke Allrounder sind und auch im Mehrkampf Ambitionen auf einen Top-12-Platz haben, konzentrieren sich Gischard und Taha Serhani auf einzelne Geräte. «Ich bin wohl so fit wie noch nie», sagte Gischard. «Nun wäre es an der Zeit, auch einmal in einem Final etwas zu reissen.» Vor allem am Boden rechnet sich der zweifache EM-Finalist am Sprung etwas aus, die beiden schwierigen Sprünge sollen dann im Herbst in Stuttgart sitzen. Auch Taha Serhani darf von Edelmetall träumen, 2018 in Glasgow verpasste er am Reck als Vierter eine EM-Medaille nur hauchdünn.
Gleich mehrere Absenzen haben die Schweizer Frauen zu beklagen. Dass die Titelkämpfe in Stettin für die fünffache Europameisterin Giulia Steingruber nach ihrem Kreuzbandriss im letzten Sommer zu früh kommen, war klar, zuletzt erwischte es nun aber auch noch Leonie Meier (Kreuzbandriss) und Stefanie Siegenthaler (Ellbogen). Auch Lynn Genhart war nach ihren Rückenproblemen im letzten Jahr noch keine ernsthafte Option für Nationaltrainer Fabien Martin.
Die Hoffnungen der dezimierten Equipe ruhen daher einmal mehr auf Ilaria Käslin. Die 21-jährige Tessinerin kam zwar auch nicht ganz ohne körperliche Probleme durch die Vorbereitung - ein Hexenschuss zwang sie zu einer einwöchigen Pause -, am Schwebebalken gehört sie aber zu den Anwärterinnen auf einen Finalplatz. 2016 in Bern verpasste sie an ihrem Lieblingsgerät als Vierte eine Medaille nur hauchdünn, 2018 in Glasgow wurde sie Fünfte. Unterstützt wird Käslin von den beiden 16-jährigen Anina Wildi und Anny Wu, die ihr Debüt an internationalen Titelkämpfen gibt.