«Team der Gesichtslosen»: Spanien startet den Neuaufbau
In Stuttgart startet die spanische Nationalmannschaft gegen Deutschland einen radikalen Neuaufbau. Es wird alles andere als leicht sein. Die Fachzeitung «AS» warnt die Fans vor zu hohen Erwartungen. «Es gibt keine Stammelf, kein System, keinen Stil.»
Das Wichtigste in Kürze
- Die spanische Fussball-Nationalmannschaft macht dieser Tage die Arbeit der Sportjournalisten des Landes so schwer wie selten zuvor.
«Die sind schon ohne Schutzmaske kaum zu identifizieren, mit Maske dann ...», zitierte die Zeitung «El Mundo» einen der rätselnden Reporter im Trainingsquartier in Las Rozas nordwestlich von Madrid. Gemeint sind die vielen Nobodys, die Trainer Luis Enrique für die Nations-League-Duelle am Donnerstag gegen Deutschland in Stuttgart und drei Tage später gegen die Ukraine in Madrid berief. Gegen die DFB-Elf startet «La Roja» den ersten radikalen Neuaufbau seit der WM 2006 in Deutschland.
Die Fachzeitung «AS» und andere Medien sprechen sogar von einer «Revolution». Vom Weltmeister-Team von 2010 sind nur noch Kapitän Sergio Ramos (34) von Real Madrid, Sergi Busquets vom FC Barcelona (32) und Jesús Navas (34) von Europa-League-Sieger FC Sevilla mit dabei. Real-Madrid-Offensivmann Asensio, mit nur 24 Jahren einer der wenigen Routiniers im neuen Team, musste am Dienstagabend wegen Verletzung aus dem Kader gestrichen werden. Nicht berücksichtigt wurden derweil Stars wie Barça-Aussenverteidiger Jordi Alba, die Atlético-Profis Álvaro Morata und Saúl oder Isco von Real Madrid.
Es gibt im Team der «Gesichtslosen», wie ein TV-Kommentator sagte, sieben junge Fussballer, die zum ersten Mal dabei sind. Darunter zwei Teenager: Das erst 17 Jahre Sturmtalent des FC Barcelona Ansu Fati und Manchester-City-Abwehrmann Eric Garcia (19), der erst 13 Premier-League-Einsätze auf dem jungen Buckel hat. Zu den Neulingen gehören auch Stürmer Ferrán Torres (20) von Manchester City, Abwehrmann Óscar Rodriguez (22), der als Real-Madrid-Leihgabe bei CD Leganés spielt, Mittelfeldmann Mikel Merino (24) von San Sebastián, der Offensivmann Adama Traoré (24) von Wolverhamptom Wanderers sowie Torwart Unai Simon von Athletic Bilbao (23).
Auf die Frage nach den Überraschungen in seinem neuen Kader sagte Luis Enrique mit dem Sarkasmus und der Ungeduld, die den 50-jährigen Hobby-Triathleten kennzeichnen: «Ich schaue nicht auf das Alter, und auch nicht, ob die Spieler hübsch oder hässlich sind.» Der Coach feiert nach schwierigen Jahren ein Comeback. Im Juni 2019 hatte er seinen Posten rund ein Jahr nach Amtsübernahme zur Verfügung gestellt, weil seine neunjährige Tochter an Knochenkrebs erkrankt war. Für ihn übernahm Assistent Robert Moreno. Im November, nach dem Tod seines Kindes im August, entschloss er sich zur Rückkehr, «um ein Stück Normalität zurückzugewinnen».
Zwei Spieler im spanischen Team kennen die deutschen Fans sehr gut: Mittelfeldmann Dani Olmo von Champions-League-Halbfinalist RB Leipzig und Thiago von Königsklassen-Meister FC Bayern. Das Spiel gegen Deutschland sei für das junge Team «eine sehr harte Prüfung», räumte Olmo vor dem Match ein. Man sei aber gut darauf vorbereitet. «Unser Niveau ist auch sehr hoch, wir wissen ganz genau, was wir tun müssen. Alle haben grosse Lust», sagte der 22-Jährige, der bereits im November erstmals nominiert worden war. Beim 7:0-Sieg im EM-Quali-Spiel gegen Malta erzielte er das fünfte Tor.
Mittelfeldmann Rodri von Manchester City bat Fans und Medien angesichts «dieses schönen neuen Projekts» um «etwas Geduld». Der 24-Jährige weiss aber auch, dass es keine Schonfrist geben wird - schon gar nicht unter einem Siegertypen wie Luis Enrique. «Der Trainer hat uns geholt, damit wir ab sofort alle Spiele gewinnen», betonte er. In Spanien macht man sich unterdessen nichts vor. Man weiss: Der Neuaufbau wird nach den vielen Erfolgen der Tiki-Taka-Künstler um Iniesta, Xavi, Xabi Alonso und David Silva alles andere als leicht sein. «Spanien ist auf dem Baugerüst. Es gibt keine Stammelf, kein System, keinen Stil», warnte die Fachzeitung «AS».